Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 267.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     Hört der alte Wäinämöinen
Seinen Hund da munter bellen,
Hört denselben heftig zanken,
Auf dem Hof des Kleingeäugten,
Auf der Flur des Ebenmaules,
Redet Worte solcher Weise:
„Glaubte, daß ein Kuckuck riefe,
Daß ein liebes Vöglein sänge;
Hat kein Kuckuck jetzt gerufen,

90
Nicht ein Vöglein zart gesungen,

Ist mein Hund, der jetzt gelärmet,
War die Stimme meines Vögleins,
An der Thür’ von Otso’s Stube,
Auf dem Hof des schönen Mannes.“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Findet da den Bären liegen,
Stürzet um das schöne Bette,
Stößt ihm um das goldne Lager,
Redet Worte solcher Weise,

100
Läßt auf diese Art sich hören:

„Sei gepriesen du, o Höchster,
Einzig sei gelobt, o Schöpfer,
Daß den Bären du mir gabest,
Mir des Waldes Gold verliehest!“
     Fleißig schaute er das Gold an,
Redet Worte solcher Weise:
„Otso, du mein Vielgeliebter,
Schönster mit der Honigtatze!
Sei umsonst nicht voller Ärger,

110
Hab’ dich, Lieber, nicht gefället,

Selber glittst du von der Wölbung,
Glittst du von des Astes Kante,
Hast das Holzkleid du zerrissen,
Deine Kleidung aus den Zweigen,
Schlüpfrig ist des Herbstes Wetter,
Seine Tage reich an Nebel!“
     „Goldner Kuckuck du des Waldes,
Der das schöne Fell du schüttelst!
Laß die Wohnung jetzt der Kälte,

120
Deinen Wohnsitz du nun öde,

Laß dein Haus aus Birkenzweigen,
Deine Hütt’ aus Weidenreisern,
Geh, Berühmter, um zu wandern,
Waldes Zier, fang’ an zu schreiten,
Gehe du mit leichten Schuhen,
Blaugestrümpfter, eile vorwärts,
Fort aus diesen kleinen Räumen,
Von den gar zu engen Pfaden
Zu den heldenmüthgen Männern,

130
Zu der Männer großen Schaaren!

Nicht wird man dich schlecht behandeln,
Nicht wirst elend du dort leben,
Honig giebt man dort zu essen,
Honigseim daselbst zu trinken
Fremden, wenn sie dort erscheinen,
Leuten, welche sich dort zeigen.“
     „Geh’ hervor von dieser Stelle,
Aus dem kleinen, schlechten Neste
Unter schöne Dachesbalken,

140
In die Wohnung voller Schönheit;

Rühr’ dich auf des Schneees Fläche
Wie ein Blümchen auf den Wegen,
Husche über diese Zweige
Wie ein Eichhorn in den Ästen!“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Dieser ew’ge Zaubersprecher,
Schreitet spielend durch die Fluren,
Singend durch die Heidestrecken,
An der Seite seines Gastes

150
Mit dem weichbehaarten Felle;

Hörbar ward das Spiel zu Hause,
Ward der Sang bis zu der Wohnung.
     Rief das Volk rasch in der Stube,
Sprach die schöne Schaar im Hause:
„Höret diesen Lärmen draußen,
Hört die Töne aus dem Walde,
Hört den Sang des Tatzenvögleins,
Hört das Horn der Waldungsjungfrau!“
     Wäinämöinen alt und wahrhaft

160
Kommt zuerst selbst nach dem Hofe,

Aus der Stube stürzt die Menge,
Reden so die schönen Leute:
„Ist das schöne Gold gekommen,
Ist das Silber hergewandert,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_267.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)