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     Sprach der alte Wäinämöinen
Selber darauf diese Worte:
„Mich wird nicht ein Lappe bannen,
Nicht ein Turjaländer drängen;
Gott nur ist der Herr des Wetters,
Bei ihm sind des Schicksals Schlüssel,
Nimmer in dem Arm des Unholds,

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Auf des Feindes Fingerspitzen.“

     „Wenn ich meinem Schöpfer traue,
Wenn ich auf den Höchsten baue,
Treibt den Feind er von den Saaten,
Hält den Bösen vom Getreide,
Daß er nicht den Saaten schade,
Nicht den Wachsthum stören möge,
Meine Saaten nicht entführe,
Dem Getreide nimmer schade.“
     „Stecke du, Pohjola’s Wirthin,

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Frevler in des Felsens Innre,

Dränge Böse in die Berge,
Schließe Schuld’ge ein in Steine,
Nie jedoch das schöne Mondlicht,
Nimmer du die liebe Sonne!“
     „Laß durch deinen Frost erstarren,
Durch die Kälte ganz erstarren
Saaten, die du selbst gesäet,
Korn, das selbst du ausgestreuet;
Sende einen Eisenhagel,

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Schicke deines Stahles Schlossen,

Wo dein eigner Pflug gepflüget,
Zu des Nordlands Feldesgränzen!“
     „Send’ den Bären von der Heide,
Aus dem Busch die böse Katze,
Aus dem Wald mit krummen Tatzen,
Aus dem Hain mit wenig Zähnen
Auf des Nordlands Gassenende,
Auf den Weg der Nordlands Heerden!“
     Sprach die Wirthin von Pohjola

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Selber Worte solcher Weise:

„Von mir ist die Macht gewichen,
Meine Kraft dahingesunken,
Mein Vermögen in die Tiefe,
In die Fluth hinab der Sampo.“
     Weinend ging sie nun nach Hause,
Voll von Jammer nach dem Nordland,
Brachte nichts der Rede Werthes
Von dem Sampo nach der Heimath;
Brachte dennoch fort ein wenig

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Mit dem Finger ohne Namen,

Bracht’ den Deckel nach Pohjola,
Nur den Handgriff nach Sarjola;
Deshalb ist im Nordland Armuth,
Fehlet es an Brot in Lappland.
     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Stieg nun selber an das Ufer,
Findet dort des Sampo Stücke,
Dort des bunten Deckels Splitter,
An dem Strand des großen Meeres,

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In des weichen Sandes Strecken.

     Setzte dann des Sampo Trümmer,
Setzt des bunten Deckels Splitter
Auf die nebelreiche Spitze
Auf dem waldungsreichen Eiland,
Daß sie wüchsen, sie sich mehrten,
Daß sie sich gestalten möchten
Dort zu Gerste für die Biere,
Dort zu Roggen für die Bröte.
     Sprach der alte Wäinämöinen

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Selbst drauf Worte solcher Weise:

„Gieb, o Gott, gewähr’, o Schöpfer,
Daß des Glückes wir genießen,
Glücklich durch das Leben gehen,
Ehrenvoll es auch beschließen
In dem lieben Finnenlande,
In der Heimath der Karelen!“
     „Schütze du, o treuer Schöpfer,
Schirme du, o Gott voll Güte,
Vor der Männer bösen Plänen,

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Vor den Anschlägen der Weiber,

Laß des Landes Plagen stürzen
Und bezwing’ des Wassers Mächte!“
     „Sei zur Seite deinen Söhnen,
Stets ein Helfer deinen Kindern,
Eine Stütze in den Nächten,
Ein Beschützer stets am Tage,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_255.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)