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Neununddreißigste Rune.


     Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„O du Schmieder Ilmarinen,
Laß uns nach Pohjola gehen,
Daß den Sampo wir gewinnen,
Wir den bunten Deckel schauen!“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte solcher Weise:
„Nicht zu fassen ist der Sampo,

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Schwer der Deckel herzuholen

Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola;
Fortgeführet ist der Sampo,
Dort der Deckel fortgetragen
In den Steinberg von Pohjola,
Innerhalb des Kupferberges,
Hinter einer Neunzahl Schlösser;
Wurzel sind ihm dort geschossen,
Neun der Klafter in die Tiefe,

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Eine Wurzel in die Erde,

In dem Wasserfall die zweite,
In des Hauses Berg die dritte.“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Bruder Schmied, mein Vielgeliebter,
Laß uns gehen nach Pohjola,
Daß den Sampo wir gewinnen!
Bauen wir ein Schiff voll Größe,
Um den Sampo aufzunehmen,
Um den Deckel fortzutragen

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Aus dem Steinberg von Pohjola,

Aus des Kupferberges Innerm,
Hinter jener Neunzahl Schlösser.“
     Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Sichrer ist der Weg zu Lande,
Lempo ziehe auf dem Meere,
Selbst der Tod auf dessen Rücken!
Dorten könnt’ der Wind uns treiben,
Könnt’ der Sturm uns niederwerfen,
Rudern müßten da die Finger,

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Steuern da die Ellenbogen.

     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Sichrer ist der Weg zu Lande,
Sichrer ist er, aber schwierig,
Ferner ist er voller Krümmung;
Wonnig ist’s zu Boot im Wasser,
Mit dem Nachen hinzuschwimmen,
Durch die Wasserfläch’ zu ziehen,
Seiner klaren Fluth zu folgen:
Wonnig wiegt der Wind den Nachen,

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Treibt die Wog’ das Schifflein vorwärts,

Setzt der Westwind es in Schwanken,
Führt der Südwind es nach vorne;
Aber sei dem wie ihm wolle,
Hast du keine Lust zu Wasser,
Wollen wir zu Lande reisen,
An dem Strande vorwärts schreiten!“
     „Schmiede mir nun eine Klinge,
Mach’ ein neues Schwert voll Feuer,
Womit ich die Wölfe haue,

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Ich des Nordens Volk verscheuche,

Da ich geh’ den Sampo holen
Nach dem Dorfe voller Kälte,
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem düstern Sariola.“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Stößt nun Eisen in das Feuer,
Stahl er in den Kohlenhaufen,
Gold soviel die Faust erfasset,

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Silber mit der Hände Höhlung;

Stellt die Knechte hin zum Blasen,
Tagelöhner an den Blasbalg.
     Eifrig blasen da die Knechte,
Drücken stark die Tagelöhner,
Gleich dem Brei zerschmolz das Eisen,
Weich gleich Teig die Stahlesmasse,
Gleich dem Wasser glänzt das Silber,
Flüssig ward das Gold wie Wogen.
     Darauf schaut Schmied Ilmarinen,

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Dieser ew’ge Schmiedekünstler
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)