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„Wirst auch so mir nicht entkommen,
Werd’ als Otter dich verfolgen.“
     Jammern mußt’ das arme Mädchen,
Klagen die mit Erz Geschmückte,
Ringt die Finger sich zu Schanden

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Und zerarbeitet die Hände,

Redet Worte solcher Weise:
„Wirst du mich nicht gehen lassen,
Werd’ als Lerch’ ich zwitschernd fliegen,
Mich in dem Gewölk verbergen.“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet’ Worte solcher Weise:
„Wirst auch so mir nicht entkommen,
Werde dir als Adler folgen.“
     War ein wenig nur gereiset,

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Eine Strecke Wegs gewandert,

Da beginnt das Pferd zu schnaufen,
Fängt das Schlappohr an zu stutzen.
     Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee dort frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:
„Wer ist hier vorbeigelaufen?“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Hase hier gelaufen.“
     Seufzen that das arme Mädchen,

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Seufzete und schluchzte reichlich,

Redet’ Worte solcher Weise:
„Wehe mir, dem ärmsten Mädchen!
Besser wäre es gewesen,
Würde besser mich befinden,
Könnte ich dem Hasen folgen,
Laufen in des Krummbein’s Spuren,
Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Hasen Haare,

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Hübscher seines Mundes Öffnung.“

     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Biß die Lippen, schiefen Hauptes,
Fuhr gar rauschend fort des Weges;
War ein wenig nur gefahren,
Laut beginnt das Roß zu schnaufen,
Fängt das Schlappohr an zu stutzen.
     Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee noch frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:

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„Wer ist hier vorbeigelaufen?“

     Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Füchslein hier gelaufen.“
     Seufzen that das arme Mädchen,
Seufzete und schluchzte reichlich,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Wehe mir, dem ärmsten Mädchen!
Besser wäre wohl mein Leben,
Besser würd’ ich mich befinden
In des lauten Füchsleins Schlitten,

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In dem Fuhrwerk dieses Flücht’gen,

Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Fuchses Haare,
Hübscher seines Mundes Öffnung.“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Biß die Lippen, schiefen Hauptes,
Fuhr gar rauschend fort des Weges;
War ein wenig nur gefahren,
Laut beginnt das Roß zu schnaufen,

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Fängt das Schlappohr an zu stutzen.

     Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee noch frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:
„Wer ist hier vorbeigelaufen?“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Wolf, der hier gelaufen.“
     Seufzen that das arme Mädchen,
Seufzete und schluchzte reichlich,
Redet’ Worte solcher Weise:

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„Wehe mir, dem armen Mädchen!

Besser wäre wohl mein Leben,
Besser würd’ ich mich befinden,
Folgte ich des Wolfes Spuren,
Ihm, der seinen Kopf stets senket,
Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Wolfes Haare,
Seines Mundes Öffnung schöner.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_227.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)