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„Schon gestorben ist dein Vater,
Hingesunken schon der Alte;
Komm’ nach Hause zuzusehen,
Wie den Todten man bestattet!“
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,

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Gab zur Antwort diese Worte:

„Ist er todt, so mag er todt sein;
Ist ein Wallach ja zu Hause,
Daß man ihn zu Grabe führe,
Ihn in Kalma’s Schooß versenke!“
     Lärmte durch die Sümpfe schreitend,
War voll Toben auf den Feldern;
Folgt’ ein Bote seinen Spuren,
Zu den Ohren kam die Nachricht:
„Schon gestorben ist dein Bruder,

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Deiner Eltern Kind gestürzet;

Komm’ nach Hause zuzusehen,
Wie den Todten man bestattet!“
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Gab zur Antwort diese Worte:
„Ist er todt, so mag er todt sein;
Ist ein Hengst ja in dem Hause,
Daß man ihn zu Grabe führe,
Ihn in Kalma’s Schooß versenke!“
     Lärmte durch die Sümpfe schreitend,

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Blies auf seinem Rohr im Walde;

Folgt’ ein Bote seinen Spuren,
Zu den Ohren kam die Nachricht:
„Schon gestorben ist die Schwester,
Deiner Eltern Kind gestürzet;
Gehe nun um zuzusehen,
Wie die Todte man bestattet!“
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Giebt zur Antwort diese Worte:
„Ist sie todt, so mag sie todt sein;

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Ist zu Hause eine Stute,

Daß man sie zu Grabe führe,
Sie in Kalma’s Schooß versenke!“
     Jubelnd schritt er durch die Stoppeln,
Lärmte fröhlich durch die Wiesen;
Folgt’ ein Bote seinen Spuren,
Zu den Ohren kam die Nachricht:
„Todt ist deine liebe Mutter,
Todt ist deine gute Alte;
Gehe nun um zuzusehen,

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Wie die Todte man bestattet!“

     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Redet Worte solcher Weise:
„Wehe mir, dem armen Sohne,
Da die Mutter mir gestorben,
Die das Bett mir eingerichtet,
Die die Decke hat geschmücket,
Die die lange Spuhle führte,
Die die kräft’ge Spindel drehte;
Nicht war ich beim Tod’ zugegen,

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Nicht, als ihre Seel’ entschwunden,

Ist vielleicht vor Frost gestorben,
Oder weil das Brot ihr fehlte!“
     „Waschet in dem Haus’ die Todte,
Mit dem Wasser feiner Seife,
Bindet sie in seidne Tücher,
Leget sie in Leingewänder,
Führt sie so zu ihrem Grabe,
Senkt sie in den Schooß von Kalma,
Führt sie hin mit Klageliedern,

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Senkt sie ein mit Sang voll Trauer;

Kann noch nicht nach Hause gehen,
Ungestraft ist noch Untamo,
Nicht getödtet ist der Böse,
Noch der Garst’ge nicht gestürzet.“
     Lärmend zog er nun zum Kampfe,
Jubelnd hin zum Land Untamo’s,
Redet Worte solcher Weise:
„Ukko, du, o Gott dort oben!
Solltest mir ein Schwert jetzt leihen,

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Eine Klinge voller Schönheit,

Welche einer Schaar gewachsen,
Hunderten selbst trotzen könnte.“
     Fand ein Schwert, das ihm nach Sinnen,
Eine Klinge von den besten,
Hauet nieder dort die Schaaren
Und vertilgt das Volk Untamo’s;
Brennt die Stube ganz zu Asche,
Daß sie ganz in Staub zergehet,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_219.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)