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Eine Axt, dem Mann gewachsen,

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Für die Arbeit mir ein Eisen!

Gehe nun die Waldung fällen,
Will nun Birkenstämme hauen.“
     Das Verlangte thut der Schmieder,
Schmiedet ihm die Axt gar eilig;
Nach dem Mann geräth das Eisen,
Nach dem Arbeiter das Beilchen.
     Darauf schleifet Kullerwoinen,
Schleift Kalerw’os Sohn das Eisen,
Schleift das Beil wohl einen Taglang,

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Macht am Abend einen Beilschaft.

     Auf macht er sich nach der Waldung
Auf dem hochgelegnen Berge,
Zu dem besten Zimmerholze,
Zu den stärksten Balkenstämmen.
     Fällt das Holz mit seinem Beile,
Haut es mit der ebnen Schneide;
Haut mit einem Hieb die Stämme,
Schlechtere mit einem halben.
     Hastig fällt er fünf der Bäume,

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Acht der Stämme mit der Wurzel,

Redet darauf diese Worte,
Läßt sich selber also hören:
„Lempo mag hier Arbeit üben,
Hiisi mag hier Balken fällen!“
     Schlägt das Beil in einen Baumstumpf,
Fängt dann an gar laut zu lärmen,
Läßt sein Pfeifen laut erschallen,
Redet Worte solcher Weise:
„So weit mag der Wald nun stürzen,

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Mögen schlanke Birken fallen,

Als man meine Stimme höret
Und ich meine Lieder pfeife!“
     „Mög’ kein Zweiglein liegen bleiben,
Auch kein Hälmchen stehen bleiben,
Nicht so lang’ die Zeiten währen,
Als das liebe Mondlicht glänzet,
Wo Kalerwo’s Sohn geschwendet,
Auf des jungen Mannes Neuland!“
     „Sollt’ die Erde Saat erhalten,

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Und die junge Saat sich heben,

Sollte es zu Halmen kommen,
Und sich Stengel dorten bilden,
Mag es nie zu Ähren kommen,
Nicht der Halme Spitzen wachsen.“
     Untamoinen voller Stärke
Ging darauf um zuzuschauen,
Wie Kalerwo’s Sohn geschwendet,
Wie der neue Knecht gehauen:
Sah nicht aus nach einer Schwende,

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Nicht nach Arbeit eines Jünglings.

     Untamoinen überlegte:
„Nicht zu dieser Arbeit taugt er:
Ganz verdirbt er gute Balken,
Fällt vom Zimmerholz das beste;
Weiß nicht wohin ihn zu schaffen,
Und zu welcher Arbeit brauchen;
Soll den Zaun ich ziehen lassen?“
Ließ den Zaun ihn darauf ziehen.
     Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,

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Fing nun an den Zaun zu ziehen,

Nahm den ganzen Stamm der Tannen,
Machte sie zu Zaunstaketen
Und verwandt’ des Waldes Fichten
Zu den Stangen an dem Zaune,
Macht der Stangen feste Bänder
Aus den längsten Ebereschen,
Macht den Zaun ganz ohne Öffnung,
Läßt in ihm auch keine Pforte,
Redet Worte solcher Weise,

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Läßt sich selber also hören:

„Wer als Vogel sich nicht hebet,
Nicht mit zwei der Flügel flattert,
Möge nicht herüber kommen
Über diesen Zaun Kullerwo’s.“
     Untamoinen geht von Hause,
Gehet hin um zuzuschauen
Des Kalerwo Sohns Umzäunung,
Seines Knechtes aus dem Kriege.
     Sieht den Zaun ganz ohne Öffnung,

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Ohne Spalte, ohne Löcher,

Von der Erde aufgeführet
Bis zu dem Gewölk erhoben.

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_196.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)