„Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß vom Männerstamme!
Hältst du gut die liebe Jungfrau,
Dann wirst freundlich du empfangen,
Kommst du in das Haus des Schwähers,
Wirst selber dann gespeiset,
Wirst gespeiset, wirst getränket,
Ausgespannet wird dein Rößlein,
In den Stall sodann geführet,
Dort gefüttert, dort getränket,
Ihm gebracht die Haferschachtel.“
„Niemals mögst du unsre Jungfrau,
Dieses Leinwandvöglein schelten,
Daß sie nicht aus großem Stamme,
Groß ist unsrer Jungfrau Herkunft,
Ihr Geschlecht von weitem Stamme,
Sä’t man eine Metze Bohnen,
Würde jedem eine Bohne,
Sä’t von Flachs man eine Metze,
Jedem eine Faser werden.“
„Nimmer magst du, armer Gatte,
Diese Jungfrau schlecht behandeln,
Mit des Knechtes Peitsch’ sie lehren,
Mit der Gert’ zum Jammern bringen,
An der Scheune sie zum Ächzen!
Niemals ist die Jungfrau früher,
Niemals in dem Vaterhause
Mit des Knechtes Peitsch’ belehret,
Mit dem Lederriem zum Klagen,
Nicht zum Jammern je getrieben
Mit der Gerte an der Scheune.“
„Vor ihr stehe gleich der Mauer,
Laß nicht deine Mutter schlagen,
Deinen Vater sie nicht schelten,
Keinen Gast sie je erzürnen,
Andre Häuser sie nicht schelten;
Treibt zum Schlagen das Gesinde,
Andres Volk dich an zur Zücht’gung,
Mögst du nie die Zarte zücht’gen,
Schlagen nicht des Herzens Liebste,
Der du drei Jahr hast gelauschet,
„Rathe, Gatte, deiner Jungfrau,
Und belehre deinen Apfel,
Rathe ihr sowohl im Bette,
Als auch draußen vor der Thüre,
Handle so im Lauf der Jahres;
Ein Jahr sprich zu ihr mit Worten,
In dem zweiten mit den Augen,
Mit dem Fuße stampf’ im dritten!“
„Wenn sie dieses nicht beachtet,
Hole dann ein Rohr des Röhrichts,
Kannenkraut hol’ du vom Felde,
Rathe damit deiner Jungfrau,
Rath’ ihr so im vierten Jahre,
Schrecke sie mit diesem Kraute,
Mit des Grases straffen Rändern,
Streiche sie noch nicht mit Riemen,
Schlage sie noch nicht mit Ruthen!“
„Wenn sie dieses nicht beachtet,
Hole eine Ruth’ vom Walde,
Eine Birke aus dem Thale,
Trag sie unter deinem Pelze,
Daß ein andres Haus nichts wisse,
Zeige sie dann deinem Weibe,
Ihr zur Schande, ohn’ zu schlagen.“
„Wenn sie dieses nicht beachtet,
Dieses sie nicht kümmern sollte,
Dann belehr’ sie mit der Ruthe,
Innerhalb des Hauses Ecken,
In den moosgefüllten Wänden,
Streiche sie nicht auf der Wiese,
Schlag sie nicht am Saum des Feldes,
Hörbar würd’ der Lärm im Dorfe
Und der Streit in andern Häusern,
Bei dem Nachbar das Geweine,
In dem Wald der große Wirrwarr!“
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_146.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)