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Extra-Beilage zu Nr. 11 der Camenzer Wochenschrift.

Donnerstag, den 16. März 1848.

Adresse der Bauern an Se. Majestät den König von Sachsen.

Allerdurchlauchtigster König! Allergnädigster König und Herr! Das hochherzige Beispiel der Stadt Leipzig, welche mit Freimuth vor dem Throne über die im Volke vorherrschenden Gefühle und Wünsche sich ausg.sprochen, hat auch uns nicht theilnahmlos gefunden. Ew. K. Maj. kennen die Treue und Liebe des Bauernstandes zu seinem König. Sie bewährt sich jetzt in unserer Offenheit. Wir haben erfahren, daß E. K. M. in dem Glauben erhalten werden, daß der Sinn des Volkes mit dem der Minister in Einklang stehe. Wir versichern E. M., daß, wohin wir hören, wohin wir sehen, es fast nur Eine Stimme giebt: daß es anders, besser werden möge! — Wir versichern E. K. M., daß noch mancher auch uns nahe berührende Wunsch auf dem Herzen des Volkes liegt, seiner Erfüllung harrend. — Vor allem beklagen wir tief das jetzige Wahlgesetz in seinen engherzigen Bestimmungen, die es hauptsächlich gerade auf den Bauernstand abgesehen zu haben scheinen. Dieses Wahlgesetz behindert und beschränkt die Auswahl unter den Würdigsten und Besten; es gehen die Beschränkungen desselben so weit, daß es eine Verletzung seiner eigenen Vorschrift über die Höhe des Census zuläßt, um nur ausführbar zu seyn. Es giebt manche Wahlkreise, welche nicht zugestehen können, daß die von ihnen gewählten Abgeordneten dem Geiste nach ihre Vertreter waren; welche für die Wahlstimme, die sie abgaben, weil sie besser sie nicht abgeben konnten, in Gedanken ihr Vaterland um Verzeihung bitten. Wir haben schon früher unsere Bittschriften gegen dieses Wahlgesetz der hohen Ständeversammlung eingesendet, aber ohne daß wir nur ein Wort der Berathung darüber gehört hätten. Mögen E. K. M. der Ständeversammlung ein Wahlgesetz vorlegen lassen, welchem Vertrauen zu der Einsicht und dem Willen der Wähler zu Grunde liegt; dann erst werden die von uns Gewählten als unsere wahren Vertreter, als Männer unseres Vertrauens gelten können. — Es ist ein schmerzliches Gefühl für uns, wenn wir es mit ansehen müssen, wie unsere Söhne aus dem Kreise der Ihrigen dahin geführt werden, wie auf einen orientalischen Markt, um gezwungen zu werden, die Waffen zu tragen. Oft ist ihre Kraft, ihr Körper der einzige Reichthum, den sie auf dieser Welt besitzen, sie müssen sie in den Jahren, wo sie ihnen die besten Früchte tragen könnten, dem Vaterlande geben, während der Mann von Geld seinen Sohn von der Pflicht der Vaterlandsvertheidigung loskauft! Mögen Ew. Königl. Maj. Ihrem Lande eine volksthümliche Wehrverfassung verleihen, damit die Vertheidigung des Vaterlandes nicht länger eine unmenschliche Last, sondern eine freudige Pflicht, ein stolzes Recht eines Jeden im Volke werde. — Die Abgaben des Staates sind so vertheilt, daß der Vermögendere verhältnißmäßig weniger zahlt, als der Aermere; mögen Ew. Königl. Majestät eine Besteuerung einführen lassen, welche auf billigerer Grundlage ruht, die Eitelkeit, Titel- und Rangsucht am wenigsten schont, und unsere Steuern mindert! — Wir haben die Lasten der Kirchen und Schulen zu tragen, wir geben ihren Dienern das, was ihnen gebührt; aber leider sehen wir uns außerhalb des Genusses der entsprechenden Rechte im Kirchen- u. Schulwesen. Unsere Geistlichen mögen Lehrer und Vorgänger nur auf dem Pfade der Tugend seyn, aber entfernt von ihnen möge Alles gehalten werden, was sie in ihrem hohen Berufe stört; ihre Wirksamkeit möge stets im reinsten Lichte der Uneigennützigkeit erscheinen, dann werden wir ihr Wort doppelt gern glauben und hören. Mögen Ew. Königl. Maj. der Ständeversammlung ein Gesetz vorlegen lassen, durch welches den Kirchengemeinden ihr natürliches Recht: Geistliche und Schullehrer selbst zu wählen, ihre kirchlichen und Schulangelegenheiten selbst zu besorgen, das Kirchen- und Schulvermögen selbst zu verwalten, gegeben, das Einkommen der Geistlichen fixirt und ihre Stellung in der Kirchengemeinde vom Betrieb einer Landwirthschaft und ähnlichem weltlichen Beisatze gänzlich geschieden wird. — Kein Stand hat mehr zu leiden gehabt, als der Bauernstand unter der Beschaffenheit der Gerichte u. deren Verfassung, denn der größte Theil der Lasten des bauerlichen Grund und Bodens ist durch die Wirkungen der Abhängigkeit, Entsetzbarkeit und herrschaftlichen Dienstbeflissenheit der Gerichte auf den Bauernstand gekommen. Zur Hebung des längst und tief gesunkenen Vertrauens zur Rechtspflege mögen Ew. Königl. Maj. der Ständeversammlung ein Gesetz vorlegen lassen, welches Oeffentlichkeit ohne Ausnahme, auch in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, und Schwurgerichte in Strafsachen gewährt. Für das Vertrauen zu Uebung der Gerechtigkeit kommt eine Einrichtung, welche den Endscheid über die Schuld oder Nichtschuld in andere Gewissen als das des Volkes selbst legt, zu spät! — Die neuere Gesetzgebung hat zwar viel von dem alten Unrechte, das auf unsern Grundstücken lastete, gehoben; allein noch darf der Geistl. eine Ausnahme machen in Ablös. d. Pfarrzehnten, noch zertreten die Jagdberechtigten unsere Saatfelder u. ihr Wild zernagt unsere Pflanzen u. Bäume, noch lastet der furchtbare Druck des Lehngeldes

Empfohlene Zitierweise:
C. S. Krausche: Camenzer Wochenschrift, 16. März 1848. C. S. Krausche, Kamenz 16. März 1848, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KWS_1848-03-16.pdf/9&oldid=- (Version vom 29.9.2023)