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Nur das Andenken des geliebten, zu schnell entfliehenden Lebens zu verewigen, ist seiner Macht vergönnt, er läßt aus dem Bluthe Hyazinths eine Blume aufblühen, die dessen Namen trägt, und ihm ähnlich ist an Reiz und Reinheit.

Der eben an das Jünglingsalter gränzende Hyazinth ist eine der lieblichsten und rührendsten Gestalten. Des Todes Blässe raubt ihm keinen Reiz; wie eine vom Sturm zerknickte weiße Rosenknospe liegt er bewegungslos mit hinsinkendem Haupte in den Armen seines hohen Freundes; der Arm, mit dem er eben seinen Hals umschlang, gleitet kraftlos hinab, die sterbende Lippe, das brechende Auge scheinen noch ein Lächeln versuchen zu wollen. Blut quillt unter den hellbräunlichen Locken, die das holde Gesicht umschatten, Blut befleckt den zur Seite liegenden Diskus, und zu seinen Füßen blüht die weiße Hyazinthe ebenfalls aus einigen Blutstropfen auf. So ist die ganze rührend schöne Mythe auf das Deutlichste bezeichnet. Auch der Knabe ist ohne alle Bekleidung dargestellt, sehr schön; der Kontrast der reizend jugendlichen Formen mit der hohen Göttergestalt, und das Kolorit, bezeichnen den Unterschied Beider auf das Treffendste. In den Adern des Gottes scheint himmlisches Feuer, nicht sterbliches

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_274.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)