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Tod nach sich; aber der arme taubstumme Knabe hatte dennoch den Muth, mit einer von ihm selbst verfaßten Bittschrift um das Leben seines Wohlthäters sich an jene Furchtbaren zu wenden, die damals als unbeschränkte Richter über Leben und Tod zu entscheiden hatten. Die ungekünstelte Beredsamkeit eines dem gewohnten Gange der Welt völlig fremden Gemüths rührte jene Tiger, deren Ohr sich noch nie der sanften Bitte geöffnet hatte. Sikard ward frei und seinem wohlthätigen Berufe wieder gegeben.

Massieu’s Bittschrift wurde damals in mehreren öffentlichen Blättern mitgetheilt; jedes Wort derselben, wie überhaupt jede seiner Aeußerungen, jede seiner Antworten auf die an ihn gerichteten Fragen, trägt unverkennbar den Stempel der Wahrheit und des reinsten tiefsten Gefühls für Gut und Böse, Recht und Unrecht; aber seine Art, dies Gefühl auszusprechen, ist höchst sonderbar und ganz so, wie nur ein so ganz einfaches Wesen sie erfinden kann, dessen Ideengang äußerst beschränkt sein muß, weil es nie eine andere Sprache hört, als die seines eigenen reinen Herzens.

Ich habe nie Massieu im geselligen Leben gesehen, aber von Personen, die Umgang mit ihm hatten,

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Johanna Schopenhauer: Jugendleben und Wanderbilder. Band 2. Georg Westermann, Braunschweig 1839, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jugendleben_und_Wanderbilder_II_185.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)