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täuschende Maja und starke Mondgöttin die Rollen tauschen läßt und das schlummernde Bewußtseyn, wie die Sühnung des Empörergeistes durch Schlaf darstellt, vertrüg wohl noch eine zartere, feiner gewebte Ausführung, und vielleicht fehlt gerade das Individualisirende, freilich bei diesem schönen, überaus zarten Mythus schwer Erreichbare. Sicher ist die Idee jedoch hier einfacher und besser aufgegriffen, als von Lairesse, der denselben Gegenstand technisch meisterhafter, aber unpoetischer behandelt hat. Höchst zart, ätherisch ist die Madonna, deren Motiv nach Carlo Dolce aufgefaßt ist: die heilige jungfräuliche Unschuld und bewußtlos in sich einkehrende Lieblichkeit.

Platners zwei bunte, harte Bilder, Hagars Auszug und Aufenthalt in der Wüste möchten wenig gefallen, noch weniger Hahn’s Auswanderung Christi aus Jerusalem. Das preiswürdigste historische Bild ist das Abendmahl vom Prof. Matthäi, ein wahrhaft akademisches Bild, mit sicherer Meisterschaft gemalt. Die zwölf Apostel sind von sprechendem Ausdruck, die Gruppen schön und kühn geordnet. Nur dem Kopfe der Hauptfigur, unseres Herrn, fehlt das Große, Edle, Tiefsinnige, und es ist, als hätte dem Meister, der so viel charakteristische Köpfe hier geliefert, sich die Kraft versagt. Ob übrigens das Hochheilige dieser Handlung hier ganz ergriffen, und bedeutsam wieder gegeben sey, stünde wohl zu zweifeln. Dieß tiefste Mysterium der Vergeistigung des Irdischen, des verschmelzenden und die Natur mit der Gottheit vermittelnden Menschengeistes, ist vielleicht die unauflöslichste Aufgabe für die Kunst. Wer sie geahnet hat, wird gestehen, daß sie, so oft es auch versucht worden, doch noch nicht gelös’t ist. Es bedürfte dazu eines

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Unbekannt: Dresdener Kunstausstellung 1816. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1816, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1816_Seite_655-665.djvu/9&oldid=- (Version vom 8.9.2024)