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worauf der einzige und letzte, nach einem prüfenden Blick auf die zahllosen Leichen, ob nicht vielleicht bei der großen Schlächterei Jemand übersehen worden, der noch seines Gnadenstoßes bedürfte, als er keinen mehr am Leben fand, im ganzen Palaste Feuer legte und dann mit beiden Händen die Klinge bis ans Heft sich durch den Leib bohrte, um neben seiner Familie zusammenzubrechen. 398 Obwohl nun die Hingeschiedenen den Glauben mit sich in den Tod genommen, sie hätten keine Seele den Händen der Römer überlassen, 399 so hatte sich doch eine alte Frau und außerdem eine Verwandte des Eleazar, eine einsichtsvolle und feingebildete Frau, wie es deren wenige gibt, mit fünf Kindern in den Canälen, die das Trinkwasser unterirdisch fortleiteten, in dem Augenblick zu verstecken gewusst, wo die übrigen alle ihre Gedanken eben auf den Mordplan gerichtet hatten. 400 Die Zahl der Opfer belief sich, die Frauen und Kinder mit eingeschlossen, auf 960. 401 Das entsetzliche Trauerspiel hatte sich am fünfzehnten des Monates Xanthikus abgespielt.

402 (2.) Als der Morgen graute, trafen die Römer, die sich noch auf einen heißen Kampf gefasst machten, ihre Vorbereitungen zum Sturme, stellten mit den Sturmbrücken die Verbindung zwischen den Wällen und der Festung her und begannen den Angriff. 403 Doch nirgends zeigte sich ein Feind, überall nur düstere Oede und Todesschweigen, unterbrochen nur von dem Knistern der Flammen im Innern, so dass die Römer anfangs rathlos standen und vergebens sich die Sache zu enträthseln suchten. Endlich ließen sie, um vielleicht auf diese Art einzelne Leute von der Besatzung nach der Bresche zu ziehen, ihren Schlachtruf erschallen, der sonst den Ansturm der Geschosse einzuleiten hatte. 404 Auf dieses Geschrei, das auch zu den genannten Frauen drang, schlüpften dieselben aus dem Canal und erzählten den Römern was alles, und wie es geschehen war, wobei besonders die zweite Frau bis auf die kleinsten Züge ein klares Bild sowohl von der Berathung wie auch von der Durchführung des schrecklichen Dramas entrollte. 405 Kaum, dass die Römer sie anhörten, zu unglaublich klang die entsetzliche Märe! Erst machten sich die Römer an die Löschung des Brandes und brachen sich rasch über die noch rauchenden Trümmer Bahn, um in das Innere des Palastes einzudringen. 406 Beim Anblick nun der zahllosen Leichen, auf die sie hier stießen, war es nicht mehr das Gefühl der Freude über einen gefallenen Feind, das sich ihrer bemächtigte, sondern einzig nur das des Staunens über einen so hochsinnigen Entschluss und die unbeugsame Todesverachtung, mit der er von so vielen und verschiedenen Menschen auch zur That war gemacht worden.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/534&oldid=- (Version vom 1.8.2018)