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da sie nach tapferer Gegenwehr, im Bewusstsein, die Freiheit dem Feinde nicht geopfert zu haben, gestorben sind; aber die Masse derer, die lebendig in die Gewalt der Römer gerathen sind, wem möchte diese nicht inniges Mitleid einflößen? Oder wer möchte sich nicht schleunig den Tod geben, um einem gleichen Schicksal zu entgehen? 373 Von der Folter verrenkt, von glühenden Fackeln versengt, von Geißelstreichen zerfleischt, starben die einen; schon zur Hälfte von den Bestien angefressen, wurden die anderen als lebendiges Spielzeug für die Lachlust und Kurzweil der Feinde zu einem zweiten Fraß ausgespart! 374 Die Aermsten der Armen nun, glaube ich, müssen jene sein, die noch immer am Leben sind, sie, die so oft und flehentlich den Tod herbeirufen und ihn nicht erbitten können. 375 Und wo ist denn dann jene großmächtige Stadt, die da einst des ganzen Judenvolkes Metropole war, die Stadt mit dem vielfachen gewaltigen Mauergürtel, mit den zahlreichen Burgen und hochragenden Thürmen an ihren Flanken, mit dem ungeheuren Kriegsmaterial, für das der Raum fast zu wenig wurde, die Stadt, sage ich, die so viele Myriaden von Männern zu ihren Vertheidigern zählte? 376 Wohin ist sie uns entschwunden, die nach unserer heiligsten Ueberzeugung der Wohnsitz Gottes war? Mit der Wurzel ist sie ausgerottet, bis in ihre Fundamente zertrümmert, und nur ein einziges Denkmal erinnert an Jerusalem, das Lager ihrer Mörder, das sich noch über ihren Ruinen erhebt. 377 Etliche jammervolle Greise sitzen am Aschenhügel des Heiligthums, wie auch einige wenige Frauen, von der feindlichen Soldateska für die schimpflichste Schmach aufgespart. 378 Wer von uns könnte, wenn er diese entsetzlichen Ereignisse an seiner Seele vorüberziehen lässt, es über das Herz bringen, noch länger das Licht des Tages zu schauen, auch für den Fall, dass er für sein Leben gar nichts mehr zu fürchten hätte! Wer könnte ein solcher Feind seiner Vaterstadt, ein so unmännlicher und weichlicher Charakter sein, dass er es nicht bedauern möchte, auch nur bis zu dieser Stunde noch am Leben geblieben zu sein? 379 O wären wir doch alle früher gestorben, bevor wir Zeugen sein mussten, wie die Hände unserer Feinde jene hochehrwürdige Stadt abgebrochen, wie sie den Tempel, den hochheiligen, in ruchlosester Weise umgegraben haben! 380 Nachdem wir uns aber leider durch eine für uns allerdings nicht unehrenhafte Hoffnung haben vertrösten lassen, dass wir vielleicht irgendwie Jerusalem an ihren Feinden noch rächen könnten, eine Hoffnung, die nunmehr vollständig geschwunden ist und nur uns allein noch in der Drangsal übrig gelassen hat, so wollen wir jetzt wenigstens keine Zeit mehr verlieren, um den Tod der Edlen zu sterben! Haben wir doch Erbarmen mit uns selbst, mit unseren Kindern und unseren Frauen, so lange wir noch in der

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/531&oldid=- (Version vom 1.8.2018)