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Sicarier waren bekanntlich solche Leute, die sich zu unserer Zeit gegen alle jene, die sich den Römern fügen wollten, zusammenrotteten und dieselben in jeder Beziehung wie Feinde behandelten: sie plünderten ihre Habseligkeiten, trieben ihr Vieh als gute Beute fort und schleuderten die Brandfackel in ihre Behausungen, 255 indem sie dabei meinten, ihre Opfer seien ohnehin um nichts besser, als die Heiden, weil sie die von den Juden so heiß umstrittene Freiheit in so niederträchtiger Weise von sich würfen und ganz ungescheut nach dem römischen Sclavenjoche griffen. 256 Diese Sprache war aber nur ein leerer Vorwand, um ihre Grausamkeit und Habgier zu bemänteln, wie es ihre spätere Handlungsweise klar genug gezeigt hat. 257 Denn gerade jene Mitbürger, die sich an ihrer Empörung betheiligten und sie im Kampfe gegen die Römer unterstützten, hatten unter ihren Streichen das Aergste zu leiden, 258 riss man ihnen aber hinwieder die Maske ihrer Verlogenheit öffentlich vom Gesichte, so antworteten sie auf die nur zu sehr verdienten Vorwürfe über ihre Verruchtheit mit noch grausameren Misshandlungen. 259 Ueberhaupt war das Judenthum jener Zeit ein äußerst fruchtbarer Boden für alle Arten von Schlechtigkeiten, so dass wohl kein noch so verruchtes Werk unter ihnen unversucht blieb, und Niemand, wenn er auch absichtlich hätte etwas aushecken wollen, eine neue Ruchlosigkeit hätte mehr ausfindig machen können. 260 So tief und allgemein war das Leben des Einzelnen, wie das der Gesellschaft vergiftet, und einer suchte den anderen durch seine Ruchlosigkeiten gegen Gott und seine Ungerechtigkeiten gegen den Nächsten zu überbieten, die großen Herren saugten das Volk aus, und die Massen suchten wieder die Großen zu vernichten. 261 Die einen wollten Tyrannen spielen, die anderen ihre brutale Gewalt brauchen und die Schätze der Reichen ausplündern. 262 Diese Bahn der Gesetzlosigkeit und der Grausamkeit gegen die eigenen Stammgenossen eröffneten zunächst die Sicarier, die den Opfern ihrer Hinterlist keine Beschimpfung ersparten und keinen Anschlag zu ihrem Untergang unausgeführt ließen. Und dennoch sollte das Benehmen des Johannes den Beweis liefern, dass die Sicarier eigentlich noch zu den Gemäßigten gehörten. 263 Denn nicht allein räumte dieser Mann alle jene aus dem Wege, deren Rathschläge nur auf die Gerechtigkeit und die öffentliche Wohlfahrt abzielten, und wüthete gerade gegen diese Bürger, wie gegen die schlimmsten Feinde, sondern er überhäufte auch in seiner öffentlichen Thätigkeit sein ganzes Vaterland mit tausendfachem Unheil, wie es nur ein solcher Mensch zu thun vermochte, der bereits gegen Gott selbst seine Frevlerhand zu erheben den traurigen Muth gehabt hat. 264 Er deckte nämlich seinen Tisch mit verbotenen Speisen und ließ in seinem täglichen Leben die herkömmlichen und

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/519&oldid=- (Version vom 1.8.2018)