163 (1.) Unterdessen wurde Lucilius Bassus als Legat nach Judäa entsendet, um von Cerealis Vitellianus das Commando zu übernehmen. Ihm gelang es zunächst, die auf dem Herodiumberg gelegene Festung sammt ihrer Besatzung auf dem Wege der Capitulation in seine Hand zu bekommen. 164 Hierauf vereinigte er das ganze Provinzialheer, das zu einem großen Theile durch das Land hin zerstreut lag, mit der zehnten Legion und beschloss damit die Veste Machärus anzugreifen, deren Wegnahme schon darum eine gebieterische Nothwendigkeit war, weil zu befürchten stand, dass der starke Platz auf die aufständische Bewegung eine große Anziehungskraft ausüben könnte. 165 Machärus hatte ja alle Eigenschaften, um einerseits seinen Vertheidigern die festeste Zuversicht auf den Sieg, einem Belagerungsheer aber starke Bedenken und sogar Schrecken einzuflößen. 166 Die Mauern der eigentlichen Festung standen auf einer felsigen, himmelanstrebenden Höhe, die schon aus diesem Grunde schwer zu erstürmen ist. 167 Sie ist aber überdies durch ihre Umgebung derart natürlich befestigt, dass man sie nicht einmal recht zugänglich machen kann, indem sie nach allen Richtungen hin durch wilde Schluchten, wie durch natürliche Gräben, abgesperrt erscheint, und zwar Schluchten von einer solchen Tiefe, dass das Auge von oben gar nicht auf ihren Grund hinabdringen, und der Fuß nur schwer einen Weg durch dieselben finden kann: mit einem Damm sie zu durchschneiden, ist ganz und gar unmöglich. 168 Die Schlucht, die Machärus im Westen absperrt, verläuft sechzig Stadien weit und endet erst am Asphaltsee. Und gerade nach dieser Seite hin streckt auch die Höhe von Machärus ihr steilstes Horn aus. 169 Die Senkungen im Norden und Süden sind zwar nicht so ausgedehnt, wie die eben erwähnte, bieten aber einem Angriff so ziemlich dieselben Schwierigkeiten. 170 Die östliche Schlucht dagegen erreicht bei aller Tiefe, die sicher nicht unter hundert Ellen beträgt, dennoch ihr Ende gleich bei dem Berge, der dort Machärus unmittelbar gegenüberliegt.
171 (2.) Dem Scharfblick des jüdischen Königs Alexander war die treffliche Ortslage nicht entgangen, und er war es auch, der zuerst auf der Höhe von Machärus eine Veste anlegte, die später allerdings von Gabinius im Kriege mit Aristobulus wieder niedergerissen ward. 172 Auch Herodes glaubte nach seinem Regierungsantritte diesem Platze vor allen anderen seine Aufmerksamkeit zuwenden und eine der stärksten Befestigungen geben zu müssen, ganz besonders wegen der
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/510&oldid=- (Version vom 1.8.2018)