409 (1.) Nach seinem Einzuge wurde Titus von der höchsten Bewunderung für die Befestigungswerke der Stadt, namentlich aber für die Thürme ergriffen, welche die Tyrannen in ihrer Kopflosigkeit im Stiche gelassen hatten. 410 Wie er so seine Blicke auf ihre massive Höhe, auf den gewaltigen Umfang der einzelnen Steine, auf das haarscharfe Gefüge, auf ihre riesige Breite und Ausdehnung hinschweifen ließ, da musste er ausrufen: 411 „Wahrhaftig, da hat Gott an unserer Seite gestritten, und nur Gott konnte es sein, der die Juden von diesen Burgen herabgezerrt hat: denn was könnten wohl Menschenhände oder Belagerungsmaschinen gegen solche Thürme ausrichten?“ 412 Um diesen Gedanken bewegten sich viele seiner Gespräche, die er damals mit seinen Freunden führte. In den Gefängnissen dieser Thürme fand man auch die Opfer der Tyrannen, die von Titus sofort ihre Freiheit erhielten. 413 Als Titus später die ganze Stadt der Erde gleichmachen und die Ringmauern abgraben ließ, durften die Thürme allein noch stehen bleiben, als ewige Monumente seines Glückes, mit dessen Hilfe er bezwungen, was sonst keine menschliche Gewalt hätte gewinnen können.
414 (2.) Da die Soldaten schon des Blutvergießens müde waren, aber andererseits doch noch ganze Scharen von Juden sich zeigten, die am Leben geblieben waren, so gab Titus den Befehl, nur mehr die Bewaffneten und jene, die sich zur Wehre setzen würden, niederzuhauen, das übrige Volk aber zu Gefangenen zu machen. 415 Die Soldaten ließen nun zunächst, außer den von Titus angegebenen, auch die Greise und Schwachen über die Klinge springen, um dann jene, die noch in der Blüte ihrer Jahre waren, und die noch eine Verwendung finden konnten, zum Tempel hinaufzutreiben, wo man sie zwischen den Umfassungsmauern des Frauenvorhofs einschloss. 416 Die Aufsicht über diese Gefangenen erhielt ein Freigelassener des Cäsar, während einer seiner Freunde, namens Fronto, die Aufgabe bekam, einem jeden von ihnen das verdiente Urtheil zu sprechen. 417 Zuerst ließ Fronto alle Rebellen und Banditen, von denen einer den anderen verrieth, mit dem Tode bestrafen, worauf er die schlanksten und schönsten von den jungen Leuten aussuchte, um sie für den Triumph aufzusparen. 418 Von den übrigen schickte er viele, die schon über siebzehn Jahre alt waren, wohlgefesselt nach den Bergwerken Aegyptens ab, während die meisten dieses Alters von Titus in die verschiedenen Provinzen verschenkt wurden, um in den dortigen Theatern unter dem Schwerte oder den
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/487&oldid=- (Version vom 1.8.2018)