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323 (2.) Da die Banden der Tyrannen jetzt auf allen Punkten geschlagen waren, und wegen der Umwallung ein Entrinnen nach keiner Seite hin mehr möglich war, ließen sie Titus um eine Unterredung ersuchen, 324 die ihnen der Cäsar in seiner angebornen Menschenfreundlichkeit, weil er wenigstens die Stadt noch zu erhalten hoffte, und bestärkt von seinen Freunden, die jetzt selbst an ein Entgegenkommen der Räuber glauben mochten, auch gewährte. Er nahm seinen Standort auf der westlichen Seite des äußeren Vorhofes, 325 da hier von beiden Seiten die Thore gerade auf den Xystus hinausgiengen, und eine Brücke die Oberstadt mit dem Tempel verband. Diese Brücke trennte jetzt die Tyrannen von dem Cäsar, 326 um die sich beiderseits dichte Scharen von Kriegern herandrängten: die Juden um Simon und Johannes waren voll banger Erwartung, ob sie begnadigt würden, die Römer aber um den Cäsar harrten mit gespannter Neugierde, was wohl die Juden für ein Verlangen stellen würden. 327 Nachdem Titus seinen Soldaten eingeschärft hatte, ihren Unwillen zu beherrschen und ja keinen Schuss auf den Feind zu thun, nahm er, einen Dolmetsch an der Seite, als Sieger das erste Wort in Anspruch und begann: 328 „Habt ihr also endlich doch einmal genug an dem Elende eurer Vaterstadt, nachdem ihr, ohne auf unsere Macht oder auf eure Schwäche Bedacht zu nehmen, in blindem Fanatismus und Wahnwitz euer Volk, eure Stadt und den Tempel bereits dem Untergang preisgegeben habt, und jetzt die Reihe an euch wäre, den verdienten Tod zu empfangen und die Geschichte einer Nation zu schließen, 329 welche schon früher, und zwar schon seit der Erstürmung Jerusalems durch Pompejus nie ganz zu revoltieren aufgehört und jetzt einen förmlichen Krieg gegen die Römer ins Werk gesetzt hat? War es nun etwa die Masse, auf die ihr euch dabei verlassen konntet? 330 Gewiss nicht, da schon ein winziger Theil des Römerheeres genügt hat, euch zu Paaren zu treiben. Also vielleicht eine treue Bundesgenossenschaft? Aber welche Nation außerhalb unseres Reiches hätte wohl lieber Freundschaft mit den Juden, als mit den Römern gehalten? Oder war es eure Körperstärke? 331 Auch das nicht, weil euch bekannt sein muss, dass germanische Recken unser Joch tragen. Vielleicht aber die festen Mauern? Ja, kann es denn eine gewaltigere Schutzmauer geben, als den Ocean? Und doch neigen sich die meerumflossenen Britannen vor unseren Fahnen! 332 War es die Heldenseele eures Volkes und das Genie eurer Feldherrn? Der Untergang von Carthago, von dem ihr wissen musstet, hätte euch sicher eines Besseren belehrt. 333 Es kann nach all’ dem nur eines sein, was euch gegen die Römer keck gemacht hat, nämlich die Güte der Römer! Wir haben euch einmal im ungestörten

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/477&oldid=- (Version vom 1.8.2018)