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Blick in die Zukunft gegeben wird, schlechterdings nicht entrinnen, 315 und so haben auch die Juden diesen Zeichen zum Theile eine sehr rosige Deutung gegeben, theils gar keine Beachtung geschenkt, bis sie erst in dem Fall ihrer Vaterstadt und in ihrem eigenen Untergang über ihre Verblendung die schrecklichste Aufklärung empfiengen.


Sechstes Capitel.
Das Opfer des römischen Heeres. Hinrichtung der Priester. Unterredung zwischen Titus und den Rebellenführern. Die Römer setzen die Unterstadt in Brand. Uebergang der Prinzen von Adiabene zu den Römern.

316 (1.) Als die Rebellen in die Stadt hinuntergeflohen waren, und das eigentliche Tempelgebäude mit allen umliegenden Bauten ein Raub der Flammen geworden, trugen die Römer ihre Adler in das Heiligthum und stellten sie dem Ostthore gegenüber auf. Hier wurde ihnen nun ein Opfer dargebracht, und unter den begeistertsten Glückwünschen Titus von den Soldaten zum Imperator ausgerufen. 317 Alle Soldaten hatten sich mit erbeuteten Schätzen so voll gestopft, dass man in Syrien ein bestimmtes Gewicht Goldes nur mehr um die Hälfte seines früheren Wertes an Mann bringen konnte. 318 Bei den Priestern, welche noch immer auf dem Mauerstock des Tempelgebäudes aushielten, befand sich auch ein Knabe, der, von Durst gequält, die römischen Wachen um Pardon bat und ihnen sagte, wie sehr ihn dürfte. 319 Den Römern gieng die Qual des zarten Kindes zu Herzen, und sie versprachen ihm, das Leben zu schenken, worauf der Junge herabstieg, seinen Durst löschte und überdies das mitgebrachte Gefäß mit Wasser anfüllte. 320 Auf einmal war er aber auf und davon, zu den Seinigen zurück. Von den Wachen konnte ihn niemand mehr einholen, und so blieb ihnen nichts übrig, als tüchtig über seine Falschheit zu schimpfen, worauf der Schlingel herunterrief: „Ich habe ja doch unser Uebereinkommen nicht im geringsten gebrochen, da ich von euch den Handschlag erhalten habe, nicht, um bei euch zu bleiben, sondern um hinabsteigen und Wasser schöpfen zu dürfen. Das habe ich nun redlich gethan und zu weiterem hielt ich mich nicht verbunden“. 321 Die betrogenen Wachen mussten schließlich selbst das schlaue Stücklein zumal bei einem so kleinen Kerlchen höchlich bewundern. Am fünften Tage aber zwang der Hunger die Priester herabzukommen. Sie wurden von den Wachen sofort zu Titus geführt, der ihnen auf ihre flehentliche Bitte um Gnade zur Antwort gab: 322 „Die Zeit der Gnade ist für euch schon abgelaufen, und das einzige, was mich noch hätte bewegen können, euer zu schonen, ist nicht mehr: Der Priester soll seinen Tempel nicht überleben!“ Auf seinen Wink führte man die Männer zur Hinrichtung ab.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/476&oldid=- (Version vom 1.8.2018)