eine Muskelkraft musste in dieser Faust, in diesem Leibe wohnen, und was war das überdies noch für ein Reiterstücklein! 163 Pedanius ritt dann mit seinem Gefangenen schnurstracks zum Cäsar, als trüge er nur ein geraubtes Schatzkästchen in seiner Hand. Titus bezeigte dem Sieger seine aufrichtige Bewunderung wegen seiner Stärke und ließ hierauf den Gefangenen wegen seines Durchbruchversuches mit dem Tode bestrafen. Dann wandte er seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Kampfe um den Tempel zu und betrieb energisch den Bau der Dämme.
164 (9.) Unterdessen hatten die Juden, weil sie von den fortwährenden Zusammenstößen arg mitgenommen wurden, und die Wogen des Kampfes allmählich immer höher brandeten, ja schon den Fuß des Heiligthums bespülten, es so gemacht, wie man es bei einem sich zersetzenden Körper macht: sie hatten die bereits angegriffenen Glieder weggeschnitten, um dem Weiterumsichgreifen des Uebels vorzubeugen. 165 Sie hatten nämlich die Verbindung der Nordhalle mit der Antonia nach Westen hin in Brand gesteckt und dann in einem Abstand von zwanzig Ellen den weiteren Zusammenhang durchbrochen, so dass die Juden also die ersten waren, welche mit eigenen Händen die Brandfackeln an ihr Heiligthum ansetzten. 166 Zwei Tage später, am 24. des vorerwähnten Monates, legten auch die Römer unter die nächste Halle Feuer an, das übrigens nur fünfzehn Ellen weit kam, weil von da an, wie früher, das Gebälk von den Juden eingerissen wurde: die Juden wollten eben auf der einen Seite die Hallen nicht gänzlich preisgeben, aber doch andererseits deren Verbindung mit der Antonia zerstören. 167 Obschon sie also ganz gut die Brandleger in ihrem Beginnen hätten stören können, verhielten sie sich beim Anzünden der Halle vollkommen unthätig, ließen aber dem Feuer nur soweit seine Nahrung, als sie es für nützlich erachteten. 168 Die Kämpfe um den Tempel giengen unterdessen ununterbrochen fort, und beständig machte ein Trupp auf den andern seine Ausfälle.
169 (10.) In jenen Tagen erschien in der Nähe des Denkmals des Hohenpriesters Johannes ein Jude, namens Jonathas, ein Mann von kleiner Statur und nichtigem Aussehen, der auch keine ansehnliche Abstammung oder sonstige hervorragende Eigenschaften besaß, und forderte unter andern kecken Beschimpfungen gegen die Römer den besten Krieger, den sie hätten, zum Zweikampf heraus. 170 Während die meisten der hier stehenden Soldaten den Mann nur mit einem verächtlichen Blicke maßen, einige im Gegentheile, wie es schon so geht, wirklich Furcht vor ihm hatten, hielten sich andere an die nicht unrichtige Erwägung, dass man es mit einem Menschen, welcher
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/459&oldid=- (Version vom 1.8.2018)