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geräumt hat, oder ein Zufall uns die Thore öffnet, und das alles, obschon wir durch einen kleinen Handstreich den ganzen Feldzug glücklich beendigen könnten! 45 Denn sind wir oben auf der Antonia, so haben wir auch schon die Stadt. Mag es dann auch noch, was ich übrigens nicht glaube, zu einem Straßenkampfe mit den Einwohnern kommen, so verbürgt uns doch wenigstens unsere dominierende Stellung, die den Feinden, sozusagen, den Athem verlegt, einen baldigen und vollständigen Sieg. 46 Ich werde mich jetzt nicht in Lobeshymnen über den Tod am Schlachtfelde und über die den gefallenen Helden bestimmte Unsterblichkeit ergehen, wohl aber möchte ich jetzt wünschen, dass jene, die anders darüber denken, für einen Augenblick den stillen Tod im Bette zu verkosten bekämen, den Tod, sage ich, bei welchem mit dem Leibe auch die Seele zu den Schrecken des Grabes verurtheilt wird. 47 Welcher brave Mann wäre nicht davon überzeugt, dass die Seelen, welche der mörderische Stahl auf dem Schlachtfelde vom Fleische abgelöst hat, vom reinsten Element, das es gibt, dem Aether, umfangen und nach den Gestirnen emporgetragen werden, um von da als Schutzgeister und gnädige Heroen ihren Nachkommen sich zu zeigen, 48 während die im kranken Leibe hinwelkenden Seelen, mögen sie auch noch so rein von jeder Makel oder Befleckung sein, die Nacht der Unterwelt bedeckt und der Strom der Vergessenheit begräbt, da mit ihrem Leibe und Leben auch ihre Erinnerung abschließt. 49 Wenn nun aber der Lebensfaden des Menschen nach dem unerbittlichen Schicksale einmal zu Ende gehen muss, und andererseits das feindliche Schwert uns viel besser denselben zerschneiden hilft, als jegliche Krankheit, so wäre es doch gemein, wollten wir den Tribut, den wir sonst dem Verhängnis nothwendig zollen müssen, nicht lieber unserem eigensten Interesse schenken. 50 Meine bisherigen Ausführungen sind von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Stürmenden unfehlbar verloren wären; aber es besteht auch die Möglichkeit, dass sich wackere Männer selbst aus der gefährlichsten Lage heraushauen. 51 Denn fürs erste ist der Mauerschutt leicht zu ersteigen, und dann kann auch die neue Mauer nirgends einen ernsten Widerstand leisten. Eure Ueberzahl, wie auch die Kühnheit, mit der ihr frisch ans Werk geht, wird euch gegenseitig Ansporn und Hilfe sein, und der Muth der Feinde wird durch eure Entschlossenheit rasch erschüttert sein. 52 Ja es könnte sogar geschehen, dass der Sieg ein ganz unblutiger wird, wenn ihr nur einmal herzhaft den Anfang macht. Beim offenen Aufstieg werden sie allerdings begreiflicherweise alles aufbieten, um euch zurückzuschlagen, aber wenn ihr euch hinanschleicht und einmal über die Mauer euch Bahn

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/446&oldid=- (Version vom 1.8.2018)