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ansehen, ohne die schreckliche Veränderung bei jedem Schritte aufs bitterste zu beklagen und darüber schmerzlich aufzuseufzen. 8 Kein Zug der ehemaligen Schönheit, den der Krieg nicht entstellt hatte, und würde jemand, der die Gegend von früher her kannte, plötzlich dorthin versetzt worden sein, er hätte sie wohl nimmer erkannt, sondern, obschon an Ort und Stelle, erst die Stadt suchen müssen.

9 (2.) Das Ende der Dammarbeiten bedeutete für Römer sowohl als Juden gleicherweise den Anfang zu neuem Hangen und Bangen. 10 Die letzteren mussten sich ja sagen, dass, wenn sie nicht auch diese Dämme noch durchs Feuer vernichten könnten, die Stadt sicher fallen würde; die Römer aber hätten nach einer abermaligen Zerstörung der Dämme wohl überhaupt auf eine Einnahme Jerusalems verzichten müssen, 11 da nicht bloß kein Holz mehr aufzutreiben gewesen wäre, sondern bereits unter den physischen Anstrengungen auch der Körper des Soldaten, unter den wiederholten Schlappen aber selbst die Spannkraft des Geistes zu erlahmen begann. 12 Wirkte doch sogar die in Jerusalem herrschende Noth seltsamer Weise auf die Römer noch niederschlagender, als auf die von ihr betroffenen Einwohner. Denn weit entfernt, dass die erlittenen Schläge ihre Gegner etwas mürber gemacht hätten, wie sie hofften, 13 zertrümmerten diese umgekehrt den Römern eine Hoffnung nach der andern: die Hoffnung auf die Belagerungsdämme durch die bekannte Ueberlistung, die Hoffnung auf die Sturmmaschinen durch die unbezwingliche Festigkeit ihrer Mauer und die auf einen Sturm durch die überlegene Verwegenheit, mit der sie sich im Handgemenge schlugen. Am meisten entmuthigte aber die Römer die Wahrnehmung, dass die Juden trotz der Parteikämpfe, Hungersnoth und Belagerung und so vieler anderer Drangsale dennoch den Kopf obenauf behielten, was sie zum Schlusse nöthigte, diese Männer müssten, 14 wenn sie zur Offensive schreiten könnten, ebenso unwiderstehlich sein, wie ihr Gleichmuth im Unglück ein unerschütterlicher war. „Denn was würden“, dachten sie sich, „solche Männer erst unter einem glücklicheren Stern nicht alles zu leisten imstande sein, wenn schon das ewige Missgeschick für sie nur ein Sporn zu immer neuer Kraftentfaltung ist“. Aus diesen Gründen stellten nun auch die Römer diesmal eine besonders starke Wachmannschaft zum Schutze der Wälle auf.

15 (3.) Die Leute des Johannes auf der Antonia trafen übrigens auch schon für die Zukunft, für den Fall nämlich, dass die Festungsmauer wirklich in Trümmer sinken sollte, ihre Vorsichtsmaßregeln und versuchten überdies, ehe noch die Widder auf die Dämme gebracht wurden, einen Sturm auf die Werke selbst. 16 Diesmal aber erreichten

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/442&oldid=- (Version vom 1.8.2018)