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von Sodom auch Jerusalem hätten treffen müssen. Denn Jerusalems Hügel trugen damals ein noch weit gottloseres Geschlecht, als das gewesen, über welches jene entsetzlichen Strafen verhängt worden sind, und eben dieses Geschlecht war es auch, dessen Wahnwitz das ganze Volk in sein Verderben mit hinein gerissen hat.

567 (7.) Was soll ich das ganze Jammerbild noch in seinen Einzelnheiten ausmalen? Erzählte doch der in jenen Tagen zu den Römern übergelaufene Mannäus, Sohn des Lazarus, dem Titus, dass von dem Tage an, da er sein Lager vor der Stadt bezogen, d. i. vom 14. des Monates Xanthikus an bis zum Neumond des Panemus bei dem Thore, das ihm, dem Mannäus, anvertraut gewesen, allein 115.880 Leichen hinausgeschafft worden seien. 568 Und das war nur die Zahl der Armenleichen! Denn Mannäus hatte sich nicht etwa zu Fleiß aufgestellt, um alle Leichen zu zählen, sondern nur solche gezählt, die er schon wegen der Auszahlung der Beerdigungskosten aus den öffentlichen Geldern genau zählen musste. Für das Begräbnis der anderen mussten ja die Verwandten sorgen. Diese Bestattung bestand übrigens nur darin, dass die Träger die Leiche zur Stadt hinausschafften und einfach irgendwo hinwarfen. 569 Dem Mannäus folgten viele angesehene Flüchtlinge, welche die Angabe machten, dass die Zahl der Armenleichen, die bei sämmtlichen Thoren vor die Stadt hinausgeworfen worden seien, alles in allem 600.000 betrage, ungerechnet die Menge der anderen Leichen, die man überhaupt nicht mehr constatieren könne. 570 Als man dann, erzählten sie weiter, vor Schwäche die verstorbenen Armen nicht mehr hinausschaffen konnte, hätte man angefangen, ihre Leichen in den geräumigsten Häusern, die später verschlossen wurden, aufzuhäufen. 571 Ein einziges Maß Weizen wäre um ein Talent verkauft worden, und als hierauf die Umwallung der Stadt selbst das Sammeln von Kräutern fürder unmöglich machte, wären manche in eine solche Bedrängnis gerathen, dass sie die Abzugscanäle und alten Rindermist durchwühlen mussten, um die erbärmlichsten Abfälle daraus zum Essen zu bekommen. Was man früher ohne Ekel nicht einmal habe ansehen können, das müsse man jetzt sogar zum Munde führen. 572 Die bloße Schilderung dieser Noth erweckte selbst bei den Römern Mitleid, aber die Aufrührer wurden nicht einmal durch den unmittelbaren Anblick derselben erschüttert, sondern sie ließen alles an sich herankommen, geblendet vom Verhängnis, das bereits über der Stadt und ihrem eigenen Nacken schwebte.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/437&oldid=- (Version vom 1.8.2018)