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bloß um die Schärfe ihrer Klingen zu prüfen. 517 Wenn aber manche sie flehentlich baten, ihnen doch mit derselben Hand und Klinge barmherzig den Rest zu geben, so überließen sie dieselben aus Uebermuth sicher dem Hunger zur Beute, und wenn der Sterbende seine brechenden Augen zuletzt noch auf dem Tempel ruhen lassen wollte, so musste er gerade dort die Aufrührer wieder schauen, die trotz ihrer Frevel ihn überlebten. 518 Während die Gewalthaber in der ersten Zeit die Leichen auf Kosten der Stadt begraben ließen, warf man später, als man damit nicht mehr das Auslangen fand, die Leichen einfach von den Mauern in die Schluchten hinab.

519 (4.) Als nun Titus auf seiner Runde diese Thalschluchten mit Todten angefüllt und die tiefen Lachen von Blutwasser sehen musste, die sich unter den modernden Leichen gebildet hatten, da hob er seufzend die Hände zum Himmel und rief Gott zum Zeugen an, dass er an all dem keine Schuld habe. 520 Während es nun in der Stadt so entsetzlich aussah, herrschte bei den Römern froher Muth, da sie nunmehr von den Ausfällen der Rebellen, die jetzt selbst auch den Zahn der Verzweiflung und des Hungers zu spüren bekamen, verschont waren und andererseits auch Getreide und andere Lebensmittel, die ihnen aus Syrien und den umliegenden Provinzen zukamen, in Hülle und Fülle besaßen. 521 Viele Römer stellten sich auch in die Nähe der Mauer und zeigten die große Menge ihrer Esswaren her, um durch den Anblick des bei ihnen herrschenden Ueberflusses den Heißhunger der Feinde erst recht zu entflammen. 522 Da aber das entsetzliche Elend ohne jeden Eindruck auf die Rebellen blieb, so machte sich Titus aus Erbarmen mit den Trümmern des Volkes und in der Absicht, wenigstens den Rest noch den Klauen derselben zu entreißen, aufs neue an die Erbauung von Dämmen, obschon er sich das Holz dazu nur mit großer Mühe verschaffen konnte. 523 Das ganze Holz in der Umgebung der Stadt war bereits für die früheren Dammarbeiten geschlagen worden, und so mussten denn die Soldaten aus einer Entfernung von neunzig Stadien neues Bauholz zusammenbringen, womit sie zunächst nur bei der Antonia an vier Stellen Dämme von noch weit größeren Dimensionen, wie die früheren, aufwarfen. 524 Ueberall war der Cäsar unter den arbeitenden Legionen zu sehen und spornte sie zum Fleiße an, um so den Banditen immer klarer zu machen, dass sie geliefert seien. 525 Aber in denen war ja, und zwar in ihnen ganz allein, jedes Reuegefühl über ihre Unthaten völlig erstorben. Seele und Leib schienen bei ihnen wie voneinander getrennt, und sie waren damit in einer Weise thätig, wie man mit einem fremden Stück hantieren würde. 526 Keine milde Regung berührte ihre Seele, wie auch kein Schmerz

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/431&oldid=- (Version vom 1.8.2018)