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sie in seinem Namen aufzufordern, 456 dass sie doch jetzt endlich einmal inne halten und ihn nicht zwingen sollten, die Stadt vom Erdboden zu vertilgen. „Möchtet ihr doch“, ließ er sagen, „wenigstens die letzten Stunden noch zur Umkehr benützen, um euer eigenes Leben und eure wundervolle Vaterstadt zu retten, wie auch den Tempel in seiner alten Unverletzlichkeit zu erhalten“. 457 Zu gleicher Zeit gieng er aber auch fleißig bei den Dämmen herum und trieb die Arbeiter zur Eile an, um jeden Zweifel zu zerstören, dass er über Kurzem dem Worte die That folgen lassen werde. 458 Diese Aufforderungen hatten indes bei den Juden auf der Mauer nur Lästerungen über den Cäsar selbst und seinen Vater zur Folge. „Wir verachten“, schrien sie, „den Tod, besser ihn wählen, als die Knechtschaft! Wir werden euch aber bis zum letzten Athemzuge zu schaden suchen, so viel wir nur können! Und was sollten sich Leute, die, wie du sagtest, ohnehin dem Tod geweiht sind, noch um ihre Vaterstadt kümmern? Was den Tempel betrifft, so hat Gott noch einen herrlicheren als diesen da, nämlich die ganze Welt. 459 Uebrigens wird auch dieser Tempel hier von dem, der ihn zu seinem Wohnsitz erwählt hat, sicher gerettet werden. An der Seite eines solchen Bundesgenossen spotten auch wir aller deiner Drohungen, die nothwendig leere bleiben müssen; denn das letzte Wort hat immer Gott!“ Diese und ähnliche Reden schleuderten sie unter einem Wust von Schmähungen den Römern zu.

460 (3.) Um diese Zeit traf im römischen Lager Antiochus Epiphanes ein, in dessen Gefolge sich außer zahlreichen anderen Bewaffneten auch eine sogenannte macedonische Truppe zu seiner persönlichen Sicherheit befand. Alle davon hatten das gleiche Alter und waren lauter schlanke, nur erst wenig über die Knabenjahre hinausgekommene junge Leute, die nach macedonischer Art bewaffnet und eingeübt waren, woher sie denn auch ihre Bezeichnung hatten, obschon die meisten darunter nicht gerade geborene Macedonier waren. 461 Der damalige Fürst von Kommagene war bis zu der Stunde, wo auch er die Laune des Schicksals verkosten musste, unter allen Vasallenkönigen der Römer vom Glücke am meisten begünstigt. Doch sollte auch er noch in seinem Greisenalter die Wahrheit des Satzes beleuchten, dass man niemand vor dem Tode glücklich preisen dürfe. 462 Zu unserer Zeit nun, wo derselbe noch auf der Höhe des Glückes stand, kam sein Sohn ins römische Lager und sprach sofort seine Verwunderung darüber aus, warum denn in aller Welt die Römer nicht frischweg gleich auf die Mauer losgiengen. Antiochus war nämlich ein tüchtiger Haudegen und verwegenes Blut, zugleich aber auch von einer so enormen Körperkraft, dass sein kühner Muth nur hie und

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/424&oldid=- (Version vom 1.8.2018)