Seiten von einer dreißig Ellen hohen Befestigungsmauer geschützt und in gleichen Abständen ringsum von schmucken Thürmen eingefasst. Dazu kamen im Innern die ausgedehntesten Wohnräume und Speisesäle mit hunderten von Ruhelagern, 178 zu welchen Gemächern eine Fülle edler, von allen Seiten herbeigeschaffter Steinarten in unbeschreiblich schönem Wechsel verwendet wurde. Geradezu wunderbar war das Getäfel mit seinem riesigen Gebälke und dem Gefunkel seiner herrlichen Bekleidung. 179 So viele Gemächer auch waren, es herrschte darin doch überall ein anderer, ein tausendfacher Prunk, und jedes hatte seine vollständige Einrichtung, deren Gegenstände zum größten Theil aus Silber und Gold gearbeitet waren. 180 Ringsum liefen, eine Menge Säulengänge ineinander, und in jedem waren die Säulen anders. Der freie Raum, den sie einschlossen, war überall mit frischem Grün bedeckt. 181 Hier standen die verschiedensten Baumgruppen, zwischen denen lange Spazierwege hinführten, rechts und links überall tiefe Wassercanäle und Fischweiher, verschwenderisch geschmückt mit wasserspeienden Erzfiguren und einer Menge von Thürmchen, die für die zahmen Tauben an den Fontänen aufgestellt waren. 182 Doch es ist gar nicht möglich, eine würdige Schilderung von der Herrlichkeit des Königspalastes zu entwerfen. Um so schmerzlicher muss die Erinnerung an die Verheerungen berühren, welche die Mordbrenner dort angerichtet haben. 183 Denn wohlgemerkt, nicht die Römer haben die Einäscherung des Palastes verschuldet, sondern, wie wir schon früher erzählt haben, die jüdischen Meuchlerbanden bei Beginn des Aufstandes, wo das Feuer, das in der Antonia gelegt ward, auf den Palast übersprang und auch die oberen Theile der drei Thürme verwüstete.
184 (1.) Das Heiligthum war, wie schon früher gesagt, auf einem mächtigen Hügel erbaut, dessen oberstes Plateau freilich zu Anfang kaum für das Tempelhaus und den Brandopferaltar genügend Raum geboten hatte, da der Hügel damals ringsum sehr jäh und steil abfiel. 185 Doch ließ gleich der erste Gründer des Tempelhauses, König Salomon, das Terrain von Osten mit Stützmauern versehen und auf diesem Mauerdamme eine Säulenhalle errichten, während nach den übrigen Seiten hin der Tempel noch keinen anderen Vorbau hatte. Erst im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte wurde durch die stetig geförderten Erdarbeiten von Seite des Volkes der Hügel ebener und breiter, 186 so dass man schließlich auch die Nordmauer niederlegen konnte und so jenen großen Flächenraum gewann, den in der späteren Zeit die Umfassungs-
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/390&oldid=- (Version vom 1.8.2018)