Stadt, aus dem er den Feind zurückgeworfen hatte, die Häuser anzündete, unbekümmert darum, dass eine Fülle von Getreide und mancherlei sonstiger Lebensmittel darin aufgespeichert lag. Dasselbe that auch Simon, wenn Johannes wieder den Platz räumte, und er selbst wieder vorrücken konnte, nicht anders, als wollten beide zu Fleiß und im Dienste der Römer alle Vorräthe, mit denen sich die Stadt gerade für die Zeit der Belagerung versehen hatte, zu Grunde richten und ihrer eigenen Kraft die Lebensadern unterbinden. 25 War doch auf diese Weise der ganze Bezirk rings um den Tempel in Flammen aufgegangen, und aus der Stadt ein wüster Tummelplatz für die beiderseitigen Kämpfer geworden. Das Getreide, welches ihnen über nicht wenige Jahre der Belagerung hinübergeholfen hätte, wurde bei dieser Gelegenheit bis auf einen geringen Rest ein Raub der Flammen, 26 und so musste Jerusalem eigentlich dem Hunger erliegen, was gerade am allerwenigsten zu fürchten gewesen wäre, wenn nicht ihre Vertheidiger sich die Hungersnoth selbst geschaffen hätten.
27 (5.) In dem allgemeinen Kampfe, den die Meuchlerbanden und das zusammengewürfelte Gesindel gegen die Stadt führten, bildete das eigentliche Volk mitten innen, sozusagen, den großen Opferleib, den alle und jeder zerreißen durften. 28 Greise und Frauen flehten in ihrer verzweiflungsvollen Bedrängnis infolge der Leiden des Bürgerkrieges um den Sieg der römischen Waffen und konnten kaum die Belagerer vor den Mauern erwarten, um wenigstens des Unheils innerhalb der Mauern endlich los zu werden. 29 Eine furchtbare Bestürzung und Angst herrschte unter der sesshaften Bevölkerung, die weder Zeit und Gelegenheit hatte, auch nur einen ruhigen Entschluss für einen entscheidenden Schritt zu fassen, noch auch die geringste Hoffnung besaß, eine friedliche Vereinbarung mit den Römern zu treffen oder wenigstens durch die Flucht aus der Stadt, wie viele es wünschten, sich retten zu können. 30 Denn überall standen Wachen, und trotz ihrer sonstigen Uneinigkeit betrachteten doch die Bandenführer jene, die den Frieden mit den Römern wünschten, oder in denen man Ueberläufer vermuthete, als gemeinsame Feinde, die man niederstieß, und nur darin waren sie einig, dass sie gerade jene ums Leben brachten, die desselben noch am würdigsten waren. 31 Ununterbrochen erscholl bei Tag und bei Nacht das Kampfgeschrei, 32 aber geradezu himmelschreiend war der Jammer der Trauernden, denen ein Unheil nach dem andern stets neue Wunden des Schmerzes schlug, während ihnen doch der Schrecken jeden Seufzer in der Kehle erstickte. Indem sie aber aus lauter Furcht selbst ihren Schmerz noch knebeln mussten, litten sie unter ihrem heimlichen Wehe Wahre Folterqualen.
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/374&oldid=- (Version vom 1.8.2018)