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Mucianus, der Statthalter von Syrien, machte ihm hier seine Aufwartung und berichtete ihm von der Begeisterung, die in allen Gauen herrsche, und wie die Eidesleistung in allen Städten ohne Anstand vor sich gienge.

622 (7.) Da die Sache Vespasians überall nach Wunsch gieng, und fast Alles sich ihm zugewendet hatte, so drängte sich ihm jetzt der Gedanke auf, dass er gewiss nicht ohne ein höheres Absehen die Zügel der Regierung in die Hand bekommen, sondern dass ein gerechtes Walten ihm die höchste Macht in die Hand gespielt haben müsse. 623 Er erinnerte sich nämlich jetzt aller Zeichen, die ihm seine Kaiserwürde vorbedeutet hatten, – und deren hatte er an den verschiedensten Orten viele bekommen – darunter aber insbesondere der Aussprüche des Josephus, welcher ihn noch zu Lebzeiten Neros mit dem Worte „Kaiser“ anzusprechen gewagt hatte. 624 Er war ganz erschrocken bei dem Gedanken, dass ein solcher Mann noch in Fesseln an seiner Seite verwahrt würde, und schickte nach Mucianus nebst den andern Führern und Freunden, denen er nun zunächst von dem kühnen Muthe des Josephus erzählte, der ihm die Eroberung von Jotapata so sauer gemacht: 625 hierauf kam er auf dessen Weissagungen, die er, der Kaiser, damals selbst nur für ein Fabricat der Angst gehalten habe, die aber von der Zeit und den Thatsachen als göttliche Eingebungen ausgewiesen worden seien. 626 „Es wäre nun“, schloss der Kaiser, „eine Schande für mich, wenn der, der mir die höchste Würde prophezeit hat und das Organ der Gottesstimme gewesen ist, noch weiter, wie ein anderer Kriegsgefangener, behandelt würde oder das Los eines Gefangenen tragen müsste“. Darauf ließ er den Josephus vor sich kommen und gab den Befehl, ihm seine Ketten abzunehmen, 627 ein Act der Dankbarkeit gegen einen Fremden, welcher natürlich die anwesenden Unterfeldherrn zu den glänzendsten Hoffnungen auch für ihre Person ermuthigen musste. In diesem Moment machte der gleichfalls anwesende Titus seinem Vater die Bemerkung: 628 „Es wäre nur ein Act der Gerechtigkeit, Vater, wenn man dem Josephus mit dem Eisen auch die Schmach nehmen würde. Denn wenn wir seine Schellen nicht einfach entfernen, sondern geradezu zerschlagen, so wird das für ihn soviel bedeuten, als wäre er überhaupt nie ein Gefangener gewesen“. Das pflegt nämlich bei solchen zu geschehen, die widerrechtlich gefesselt worden sind. Der Vorschlag fand Beifall: es musste einer herbeikommen und mit einem Beile die Handschellen durchhauen. 629 So erhielt Josephus zum Lohne für seine Weissagungen die volle Ehrenrettung und galt von jetzt an auch als glaubwürdiger Interpret der Zukunft.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/363&oldid=- (Version vom 1.8.2018)