waren nun jene Leute, welche, auch von der Empörung abgesehen, die Stadt später in das Verderben stürzen mussten, da ein unnützer und fauler Haufe schon zum voraus die für die ehrlichen Kämpfer in eben hinreichender Menge gesammelten Vorräthe gründlich aufzehrte und zu dem Kriege mit den Römern auch noch den Bürgerkrieg und die Hungersnoth daherbrachte.
138 (4.) Auch noch andere Räuberbanden kamen vom Lande in die Stadt hinein, welche im Bunde mit den noch schlimmeren Gesellen in der Stadt vor keiner Gewaltthat mehr zurückscheuten. 139 Ihre Verwegenheit beschränkte sich nämlich nicht darauf, bloß zu plündern und die Leute splitternackt auszuziehen, sondern sie griff sogar nach dem Mordstahl, und das nicht etwa bei Nacht oder verstohlen oder gegen gemeine Leute, sondern ganz ungescheut und am hellichten Tage, und zwar fieng man gerade bei den Vornehmsten an! 140 Zuerst nahmen sie einen gewissen Antipas fest, einen Mann von königlichem Geblüte, der in der Stadt ein solches Ansehen genoss, dass seinen Händen die Stadtcasse anvertraut war, und warfen ihn in das Gefängnis, 141 nach ihm einen gewissen Levi, einen Mann von hohem Rang, und den Sophas, den Sohn des Raguel, die beide königlicher Abstammung waren, und außerdem noch eine ganze Reihe von Männern, die im Lande als Leute von hervorragender Stellung galten. 142 Eine schreckliche Bestürzung herrschte darüber unter dem Volke, und nicht anders, als wenn schon der Feind die Stadt erstürmt hätte, suchte jeder nur mehr sein eigenes Leben zu schützen.
143 (5.) Die Räuber waren aber mit der bloßen Einkerkerung der Verhafteten nicht zufrieden, und hielten es auch für gefährlich, Männer von solchem Einfluss längere Zeit in dieser Weise in Gewahrsam zu halten, 144 da schon deren zahlreiche Sippschaft nach ihrer Meinung gar wohl in der Lage war, den Gefangenen beizuspringen, und nicht bloß das, sondern auch die Bürgerschaft selbst, empört über diese Ruchlosigkeit, gar leicht sich gegen sie erheben konnte.145 Sie beschlossen daher die Gefangenen zu beseitigen, und schickten einen gewissen Johannes, den größten Bluthund, den sie unter sich hatten, den Sohn der Dorkas oder Gazelle, wie er in der heimischen Sprache hieß, und mit ihm noch zehn andere nach dem Kerker. Mit gezückten Schwertern drangen sie dort ein und schlachteten die Gefangenen ab. 146 Natürlich mussten sie für eine solche Verruchtheit auch einen ebenbürtigen Vorwand erdichten, indem sie erklärten, die Verhafteten hätten wegen Auslieferung der Stadt Jerusalem mit den Römern Unterhandlungen gepflogen, und seien es ja nur Verräther der gemeinsamen Freiheit, die sie aus dem Wege geräumt hätten: kurz sie rühmten sich noch ihrer
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/312&oldid=- (Version vom 1.8.2018)