Klippen am Ufer und vor den am Gestade lauernden Römern sich durch die anstürmenden Wogen einen Weg ins offene Meer erzwingen wollten, von der riesigen Hochflut begraben wurden. 424 Es gab weder einen Ausweg zur Flucht, noch war im Bleiben Heil, da der Sturm sie mit aller Gewalt aus dem Meere gegen die Stadt, die Angst vor den Römern aber von der Stadt weg ins Meer hinaus trieb. Grausig war das Angstgeschrei aus den aneinander prallenden Schiffen, entsetzlich das Krachen der berstenden Wände! 425 Ein Theil der darauf befindlichen Leute ward sofort ins nasse Wellengrab hinabgerissen, viele wurden unter den Schiffstrümmern zermalmt; manche stießen sich auch, um dem Tod im Meere durch einen leichteren zuvorzukommen, selbst das Schwert in die Brust: 426 doch die meisten wurden von den Wogen gegen das Gestade geworfen, wo sie an den zackigen Klippen vollständig zerrissen wurden, so dass das Meer sich weit umher von ihrem Blute färbte, und die Küste sich mit Leichen bedeckte: ward einer noch lebend von der Brandung ans User geworfen, so machten ihm natürlich die dort stehenden Römer den Garaus. 427 Die Zahl der von der See im Ganzen ausgespülten Leichen betrug 4200! Die Römer machten dann die ohne einen Tropfen Blutes bezwungene Stadt der Erde gleich.
428 (4.) Auf solche Weise war nun Joppe innerhalb eines kurzen Zeitraumes bereits zum zweitenmal von den Römern genommen. 429 Damit sich aber daselbst nicht neuerdings das Piratengesindel einnisten könnte, legte Vespasian auf der Höhe der Stadt ein festes Lager an, 430 in welchem er die Reiterabtheilung nebst einer kleinen Truppe Fußvolk postierte: während die letzteren an Ort und Stelle bleiben mussten, um das Lager zu bewachen, sollten die Reiter Plünderungszüge in die Umgebung machen und die um Joppe herumliegenden Dörfer und kleinen Städte verwüsten. 431 Nur zu pünktlich ward das ausgeführt: Tag für Tag durchstreiften sie verheerend das Land und verwandelten es in eine völlige Einöde.
432 (5.) Als die Katastrophe von Jotapata in Jerusalem bekannt wurde, schenkten anfänglich die meisten der Nachricht gar keinen Glauben; schien doch das Unglück allzugroß, und hatte sich ja noch kein einziger Augenzeuge dafür eingefunden! 433 In der That war auch nicht ein einziger entronnen, der das Unglück hätte melden können: dafür aber hatte sich nur von ungefähr ein dunkles Gerücht gebildet, dass die Stadt gefallen sei, wie sich denn überhaupt das Gerücht mit Vorliebe gerade an traurige Ereignisse hängt. 434 Allmählich aber brach sich die Ueberzeugung von der Wahrheit zunächst bei den Umwohnenden Bahn, um schließlich bei allen jeden Zweifel an der Thatsache selbst zu verdrängen. Freilich wurde dabei noch immer Wahres und Unwahres durcheinandergeworfen:
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/282&oldid=- (Version vom 20.2.2020)