Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/264

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schwamm in Blut, und der Wall von Leichen bildete fast einen Weg zur Mauerhöhe! 250 Das Echo von den umliegenden Bergen gab das Geschrei noch schauerlicher zurück: kurz, es gibt keinen Schrecken, der, sei es dem Ohr, oder sei es dem Auge, in jener Nacht erspart worden wäre. 251 Eine große Anzahl Jotapatener fiel nach tapferer Gegenwehr, sehr viele wurden verwundet. Nach langem Widerstände sank endlich um die Morgenwacht unter den unausgesetzten Stößen der Sturmböcke die Mauer ein. 252 Bevor aber von den Römern noch die Sturmbrücken angelegt werden konnten, hatten sich schon die Juden in voller Rüstung an die Arbeit gemacht und sich am anderen Ende der Bresche verschanzt.

253 (24.) Nachdem Vespasian dem Heere eine kurze Rast nach der nächtlichen Anstrengung gewährt hatte, zog er es bei Tagesanbruch zum Hauptsturm auf die Stadt zusammen. 254 Um die Vertheidiger der Breschen zurückzuwerfen, ließ er seine besten Reiter absitzen und stellte sie, bis an die Zähne gewappnet, mit vorgehaltenen Lanzen in drei Abtheilungen an den Mauertrümmern auf, mit dem Befehle, sobald die Sturmbrücken bereit lägen, den ersten Anlauf zu machen. Hinter sie postierte er die tüchtigste Mannschaft zu Fuß, 255 während er die übrigen Reitergeschwader der Mauer gegenüber über die ganze Berglehne vertheilte, damit keiner von denen, die sich noch etwa vor den Stürmenden flüchten könnten, hier durchkäme. 256 Weiter nach rückwärts wies er ringsherum den Bogenschützen, wie auch den Schleuderern und den Geschützmeistern ihre Stellungen an, mit dem Bedeuten, zum Schusse bereit zu sein. 257 Noch andere hatten den Auftrag, sich mit Sturmleitern zu versehen und dieselben an den noch unversehrten Theilen der Mauer aufzupflanzen, damit durch diese feindliche Bewegung ein Theil der Vertheidiger gezwungen würde, ihren Posten an der Bresche zu verlassen, um den Sturm auf den anderen Seiten abzuschlagen, während die übrigen Vertheidiger der Bresche durch einen förmlichen Geschosshagel aus der Maueröffnung verdrängt werden sollten.

258 (25.) Josephus, der die Absicht des Vespasian errieth, stellte nun auch seinerseits auf den unbeschädigt gebliebenen Mauerstrecken lauter alte und schwache Leute aus der Besatzung auf, weil sie nach seiner Meinung hier gar nichts zu fürchten hatten, an dem Mauerriss dagegen sollten nur die kräftigsten Streiter stehen, zu deren Führung er je sechs Mann – darunter war er selbst – durch das Los bestimmte und an die gefährlichste Stelle der Bresche dirigierte. 259 Auf sein Geheiß mussten sich alle die Ohren verstopfen, um nicht etwa vom Feldgeschrei der Legionen in Schrecken versetzt zu werden; vor der Wolke von Geschossen aber sollten sie sich auf den Knien zusammenkauern und

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/264&oldid=- (Version vom 19.2.2020)