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dachtsamkeit verleite, während die Verstandesarbeit, auch wenn sie manchmal Unglück habe, doch wenigstens eine heilsame Sorgfalt erzeuge, um neue Schlappen zu vermeiden. 101 Sowie einerseits kein Glückskind die Genugthuung haben könne, diese Güter sich selbst erworben zu haben, so sei es auch umgekehrt bei ganz unerwartet über uns hereinbrechenden Unglücksfällen noch ein tröstender Gedanke, dass man es wenigstens nicht an reiflicher Ueberlegung habe fehlen lassen.

102 (7.) Auf solche Weise erhöhen die Römer mit ihren Waffenübungen sowohl die Kräfte des Leibes, wie die Energie des Geistes. Dieser Uebung kommt auch die Furcht zu Hilfe, 103 da die Kriegsartikel bei ihnen nicht bloß auf Fahnenflucht, sondern schon auf eine geringe Säumigkeit die Todesstrafe setzen. Aber noch mehr als die Militärgesetze sind die Feldherren selbst zu fürchten, da diese nur durch ihre Auszeichnungen, die sie an die verdienstvollen Krieger verleihen, in etwa den Eindruck der Grausamkeit verwischen können, den ihr Verfahren gegen strafbare Soldaten hervorruft. 104 Der Gehorsam gegen die Anführer ist dafür aber auch so stramm, dass es im Frieden eine wahre Pracht ist, in der Schlacht aber das ganze Heer nur einen einzigen Leib zu bilden scheint: 105 so eng verwachsen sind die Glieder, so behende ihre Schwenkungen, so scharf horcht jedes Ohr auf das Commando, so scharf sieht jedes Auge auf die Zeichen, so schnell ist jede Hand am Werke. 106 So sind sie also auf der einen Seite immer rasch im Handeln und doch auf der anderen wieder sehr zäh im Leiden. Nie und nirgends sind sie im Kampfe, sei es der Uebermacht, oder Kriegslist, oder den Schwierigkeiten des Terrains, ja selbst nicht einmal der Gewalt des Schicksals erlegen. Denn ihre sieghafte Kraft ist selbst durch des Schicksals Mächte nicht zu erschüttern! 107 Sollte man sich demnach bei einem Volke, bei dem stets eine weise Ueberlegung der That vorausgeht, und hinwieder ein so unternehmungslustiges Kriegsheer den Beschlüssen zu Diensten steht, noch wundern, dass es seine Herrschaft im Osten gegen den Euphrat, im Westen an den Ocean, im Süden zu den üppigsten Fluren Libyens, gegen Norden aber an den Ister und den Rhein vorgeschoben hat? Im Gegentheil, man könnte eher mit Fug und Recht die Behauptung aufstellen, dass selbst dieser gewaltige Besitz für solche Eroberer noch keinen würdigen Preis abgebe.

108 (8.) Vorstehende Schilderung habe ich indes nicht so sehr in der Absicht entworfen, um die Römer herauszuheben, als vielmehr, um den Besiegten damit einen Trost zu spenden und die revolutionären Elemente unter ihnen zu warnen. 109 Vielleicht bereichert auch die Darstellung der römischen Heerführung die Erfahrung manches für alles Edle begeisterten Mannes, der bislang davon keine Kenntnis gehabt

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/248&oldid=- (Version vom 19.2.2020)