werden. 389 Aber gewiss werden sich diese Juden nicht um solcher Lappalien willen in einen so verhängnisvollen Kampf hineinziehen lassen, noch würde es ihnen, wenn sie schon so übel berathen wären, der Parther erlauben, der da ängstlich darauf bedacht ist, mit den Römern Waffenruhe zu halten, und der einen Bruch der Verträge schon in dem Falle fürchten müsste, wenn er auch nur ein anderes, aber ihm unterstehendes, Volk gegen die Römer ziehen ließe. 390 Die letzte Zuflucht wäre demnach nur die Bundesgenossenschaft von Seite der Gottheit! Aber auch diese steht sicher auf Seite der Römer, da sich ganz unmöglich ein so ungeheures Reich ohne Gottes Fügung hätte bilden können! 391 Ihr müsst außerdem in Erwägung ziehen, wie schwer euch die Einhaltung eurer ungewöhnlich reichen Religionsvorschriften selbst in dem Falle ankommen würde, als ihr keine ernsteren Gegner vor euch hättet. So wäret ihr also gezwungen, gerade dasjenige, was euch am meisten Hoffnung auf die Mithilfe Gottes macht, zu übertreten und auf solche Art auch Gott selbst zurückzustoßen. 392 Wenn ihr, um nur dies hervorzuheben, die herkömmliche Sabbathsfeier beobachtet und euch zu keiner Arbeit rührt, so werdet ihr eine leichte Beute eurer Feinde werden, wie es euren Ahnen unter Pompejus ergangen ist, welcher gerade jene Tage zu allermeist für die Belagerung ausgenützt hat, an denen die Belagerten mit der Arbeit aussetzten. 393 Setzt ihr euch aber umgekehrt im Kriege über das väterliche Gesetz einfach hinweg, so wüsste ich wahrlich nicht mehr, wofür ihr dann überhaupt noch auf den Kampfplatz treten sollet, da euer Streben doch einzig und allein nur darauf gerichtet ist, von euren väterlichen Gesetzen ja kein einziges zu opfern! 394 Wie wollt ihr denn die Gottheit um Hilfe anrufen, wenn ihr aus freien Stücken die ihr schuldige Ehrfurcht verletzet? Man hebt doch in der Regel nur dann einen Krieg an, wenn man sich entweder auf göttliche oder auf menschliche Unterstützung verlassen kann: wo aber die Natur der Umstände die Hilfe von diesen beiden Seiten geradezu ausschließt, dort laufen die Kämpfer ihren Feinden offen in die Hände. 395 Was hindert euch denn, jetzt gleich mit eigener Hand eure Kinder und Frauen zu erwürgen und diese eure prachtvolle Vaterstadt in Asche zu legen? Ihr würdet für euch durch eine solche Raserei wenigstens das eine gewinnen, dass ihr der Schande einer Niederlage entgienget. 396 Keine Schande ist es aber, meine Freunde, sondern nur lobenswert, solange noch das Schiff im sicheren Port liegt, sich wegen des kommenden Sturmes vorzusehen, um nicht vom ruhigen Hafen mitten in den Orkan hinauszusteuern. Denn wer unversehens ins Unglück stürzt, mit dem hat man doch wenigstens noch Mitleid; wer aber mit offenen Augen ins Verderben rennt, der hat zum Schaden auch noch den Spott.
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/199&oldid=- (Version vom 17.2.2020)