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Fünfzehntes Capitel.
Fruchtlose Vermittlung der Berenice. Neuerliche Misshandlung des Volkes durch die Soldaten. Florus sucht in den Tempel zu dringen, wird aber vom Volke zurückgeschlagen. Die Juden brechen die Hallen an der Antonia ab. Florus kehrt nach Cäsarea zurück.

309 (1.) Leider weilte gerade um diese Zeit der König Agrippa in Alexandrien, wohin er zu dem Zwecke gereist war, um dem von Nero mit der Verwaltung Aegyptens betrauten und dorthin bereits abgesandten Alexander seine Glückwünsche darzubringen. 310 Wohl aber befand sich eben seine Schwester Berenice in Jerusalem, die nun, von ungeheurem Schmerz zerrissen, Zeuge der Greuelthaten der Soldaten sein musste. Wiederholt hatte sie schon die Officiere ihrer berittenen Garde und ihre sonstigen Leibwachen zu Florus geschickt mit der Bitte, doch einmal dem Gemetzel Einhalt zu gebieten. 311 Aber der hatte kein Auge weder für die große Zahl der bereits hingeschlachteten Menschen, noch für den Adel der hohen Bittstellerin, sondern einzig und allein für den aus den Plünderungen zu erhoffenden Gewinn und blieb taub gegen alle Bitten. 312 Ja, die entfesselte Soldateska ließ ihre Wuth sogar an der Königin aus, indem sie nicht allein gerade vor ihren Augen die eingefangenen Opfer misshandelte und niederstieß, sondern bald auch sie selber getödtet haben würde, wenn sie sich nicht noch bei Zeiten in den Königshof geflüchtet hätte. Hier blieb sie die ganze Nacht unter dem Schutze einer Wache, weil sie immer einen Angriff der Soldaten befürchten musste. 313 Ihr damaliger Aufenthalt in Jerusalem hieng mit einem Gelübde zusammen, das sie Gott dem Herrn lösen wollte. Es besteht nämlich bei uns die Sitte, dass jene, die von einer schweren Krankheit oder einem anderen Unglück niedergebeugt sind, das feierliche Versprechen ablegen, die dreißig Tage hindurch, welche der Entrichtung der eigentlichen Gelübdeopfer vorausgehen, sich des Weines zu enthalten und sich dann das Haupthaar scheren zu lassen. 314 Bei dieser Gelegenheit also, wo Berenice ihr Gelübde einzulösen im Begriffe stand, war es, dass sie persönlich und zwar bloßfüßig den Florus vor seinem Richterstuhle für die Juden anflehte und, statt eine zarte Rücksicht zu finden, sogar für ihr Leben Gefahr lief.

315 (2.) Diese Vorgänge hatten sich am sechzehnten des Monates Artemisius abgespielt. Am folgenden Tage strömte die Volksmenge, von übergroßem Schmerz erfüllt, nach dem oberen Markt, um in einem erschütternden Klagegeschrei ihrem Jammer um die Hingemordeten Luft zu machen: es überwogen aber bald die Stimmen, die um Rache gegen Florus schrien. 316 Bei dieser Wahrnehmung zerrissen

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/187&oldid=- (Version vom 17.2.2020)