war, oder aber durch förmlichen Senatsbeschluss jene Persönlichkeit zum Kaiser wählen, welche der Krone am würdigsten wäre.
206 (2.) Es traf sich nun, dass Agrippa, der eben zur Zeit dieser Ereignisse in Rom weilte, sowohl vom Senate eine Einladung zur Berathung, wie auch einen Ruf ins Lager von Claudius erhielt, da sich die eine und die andere Partei seiner Person zu ihren Zwecken bedienen wollte. Da Agrippa schon merkte, dass Claudius bereits die Macht des Kaisers in den Händen hatte, so trat er auf seine Seite 207 und wurde von ihm wieder als Gesandter an den Senat verwendet, um demselben die Entschlüsse des neuen Kaisers zu eröffnen. Er sei zwar, erklärte Claudius, gegen seinen Willen von den Soldaten erhoben worden, doch halte er es ebensowenig für gerecht, die Begeisterung der Soldaten kühl zurückzuweisen, als für seine Sicherheit rathsam, die angebotene Krone auszuschlagen, da bei einer solchen Herrschaft bekanntlich sogar schon das Angebot dazu den betreffenden in eine gefährliche Lage versetze. 208 Uebrigens, ließ er versichern, werde er die Regierung nur wie ein pflichtbewusstes Staatsoberhaupt und nicht wie ein Despot führen, da er sich’s an dem ehrenvollen Titel genüge sein lassen, das Berathungsrecht aber in allen Staatsangelegenheiten dem Volke zurückgeben wolle. Wäre er auch nicht schon von Haus aus ein billig denkender Mann, so hätte ihm ja Cajus in seinem Blute eine genugsam ernste und klare Lection zur Mäßigung hinterlassen.
209 (3.) Das war die Botschaft, die Agrippa dem Senate überbrachte. Der letztere ließ darauf antworten, dass er, gestützt auf das Heer und den Rechtssinn der Bevölkerung, das Joch einer selbstgewählten Knechtschaft sich nicht mehr auferlegen wolle. Als Claudius diesen Bescheid des Senates vernommen, schickte er Agrippa aufs neue an die Senatoren und ließ ihnen sagen, dass auch er seinerseits jene, die ihm einmal zugeschworen hätten, unmöglich verrathen könne: aber nur mit Bedauern ziehe er das Schwert gegen Männer, denen er am allerwenigsten feind sein könnte. 210 Für den Entscheidungskampf solle man indes vorher einen Platz außerhalb der Stadt anweisen, da es ein Frevel wäre, wegen ihres übelberathenen Entschlusses die Tempelbezirke ihrer Vaterstadt mit dem Blute der eigenen Bürger besudeln zu lassen. Sofort nach Entgegennahme dieser Antwort übermittelte sie Agrippa wieder den Senatoren.
211 (4.) Da ereignete sich ein Zwischenfall. Einer von den Soldaten, die bisher zum Senate gehalten hatten, zog sein Schwert und schrie: „Wackere Kameraden, sind wir denn von Sinnen, dass wir uns mit Bruderblut beflecken und gegen unsere eigenen Verwandten im Lager des Claudius losschlagen wollen? Haben wir denn nicht an Claudius
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/172&oldid=- (Version vom 15.2.2020)