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verfehlte nicht, das Verlangen der Juden als etwas unvernünftiges zu erklären, 194 da, wie er bemerkte, bereits eine jede unterworfene Völkerschaft und sogar jede einzelne Stadt die Bildnisse des Kaisers an der Seite ihrer übrigen Gottheiten habe aufstellen lassen, und demgemäß das in der Welt einzig dastehende Widerstreben der Juden gegen diese Verfügung fast schon wie eine Rebellion und zwar eine für Rom tief verletzende Rebellion sich ausnehme.

195 (4.) Dem hielten die Juden ihr Gesetz und die altererbte Sitte entgegen und sagten, dass es ihnen nicht einmal freistehe, eine Abbildung Gottes, geschweige denn die eines Menschen, selbst am erstbesten Orte des Landes, vom Tempel gar nicht zu reden, anbringen zu lassen, worauf Petronius erwiderte: „Aber muss denn nicht auch ich das Gesetz meines Gebieters beobachten? Setze ich mich aus Schonung für euch darüber hinweg, so werde ich das, und zwar mit Fug und Recht, mit meinem Kopfe bezahlen müssen. Nicht meine Persönlichkeit, wohlgemerkt, sondern derjenige, der mich gesandt hat, steht euch kampfgerüstet gegenüber: denn ich bin ebensogut ein bloßer Unterthan, wie ihr selbst!“ 196 Auf das hin begann die Menge zu schreien: „Wir sind bereit, für das Gesetz alles zu leiden!“ Als Petronius sich mit Mühe wieder vernehmlich machen konnte, rief er: „Ihr wollt es also wirklich selbst mit dem Kaiser aufnehmen?“ 197 Darauf die Juden: „Für den Kaiser und das römische Volk bringen wir alle Tage zweimal das Opfer dar. Will er aber seine Bilder zu uns hereinbringen, so wird er wohl zuerst selbst die ganze jüdische Nation hinopfern müssen: wir stehen als Schlachtopfer bereit sammt unseren Frauen und Kindern!“ 198 Ein Gefühl der Bewunderung, mit Mitleid gemischt, überkam bei dieser Scene den Petronius, als er die über alles erhabene Religiösität dieser Leute und ihre todesmuthige Haltung sah. Die Versammlung ward für diesmal ohne Ergebnis aufgehoben.

199 (5.) Während der nächsten Tage berief der Statthalter wiederholt die jüdischen Großen zu besonderen, das Volk aber zu den öffentlichen Versammlungen und suchte hier bald mit Bitten, bald mit gutgemeinten Rathschlägen, zumeist jedoch mit sehr ernsten Drohungen auf die Juden einzuwirken, indem er ein furchtbares Bild von der Kriegsmacht der Römer und der Wuth des Kaisers vor ihren Augen entrollte und auch auf seine eigene Zwangslage, in die er durch die Juden gerathe, hinwies. 200 Als aber jeder Versuch an der Unbeugsamkeit der Juden scheiterte, und der Statthalter fürchten musste, dass auch das Land unbestellt bleiben würde, da es eben Zeit zur Einsaat war, und die Volksmenge bei ihm schon fünfzig Tage hatte unthätig verstreichen lassen, so versammelte er die Juden ein letztesmal und er-

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/170&oldid=- (Version vom 15.2.2020)