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die Religionsweisheit der Essener von der Seele, eine Lehre, womit sie eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf alle jene ausüben, die einmal von ihrer Weisheit gekostet haben.

159 (12.) Es gibt unter ihnen auch Männer, die sich anheischig machen, die künftigen Dinge vorauszuschauen, wozu sie sich durch Lesung heiliger Bücher, mannigfache Weihungen und die Erwägung prophetischer Aussprüche die Fähigkeit zu erwerben suchen, und es ist wirklich eine Seltenheit, wenn sie sich einmal in ihren Weissagungen irren.

160 (13). Es besteht aber auch noch ein anderer Verband von Essenern, welcher in Lebensweise, Herkommen und Satzung den übrigen vollständig gleicht und nur im Punkte der Ehe eine abweichende Auffassung hat. Sie sind nämlich der Anschauung, dass jene, die nicht heiraten, die Hauptaufgabe des menschlichen Lebens, die Fortpflanzung des Geschlechtes, zunächst für ihre Person unmöglich machen; diese Handlungsweise sei aber noch dadurch bedenklicher, dass, wenn alle diesem Grundsatz huldigen wollten, das ganze Menschengeschlecht in kürzester Zeit aussterben müsste. 161 Doch prüfen diese Essener ihre Braut drei Jahre lang und führen sie erst dann heim, wenn sie sich nach dreimaliger Reinigung der ehelichen Pflicht gewachsen zeigt. Mit den Schwangeren pflegen sie keinen ehelichen Umgang und zeigen damit, dass sie nicht aus Sinnlichkeit, sondern nur, um Kinder zu bekommen, geheiratet haben. Wie die Männer nur mit einem Lendentuche umgürtet sich waschen dürfen, so müssen die Frauen beim Bade ein förmliches Gewand anhaben. Das also wären die Gebräuche der Essenersecte.

162 (14.) Um auf die zwei anderen Secten zurückzukommen, so bringen die einen, die Pharisäer, welche als die genauesten Ausleger der gesetzlichen Vorschriften gelten und überhaupt die erste Secte im Judenthum eingeführt haben, alles in Abhängigkeit von dem Verhängnis und von Gott, 163 so dass nach ihrer Meinung das Verhängnis selbst auf das rechtschaffene Leben, wie auch auf sein Gegentheil einen Einfluss ausübe, wenn auch beides hauptsächlich in der Hand des Menschen liege. Von den Seelen lehren sie, dass sie zwar alle unsterblich seien, dass aber nur die Seelen der Guten in einen anderen Leib wandern dürfen, während die der Schlechten mit ewiger Qual gezüchtigt werden. 164 Die Sadducäer, welche die zweite Secte ausmachen, nehmen im Gegensatz zu den Pharisäern gar kein Verhängnis an und geben weder ein wirksames Eingreifen Gottes in die Geschichte noch selbst irgend eine Aufsicht von seiner Seite zu. 165 Sowohl das Gute, wie das Schlechte, behaupten sie, stehe zur Auswahl des Menschen bereit, und jeder wendet sich nur nach seiner freien Willens-

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/165&oldid=- (Version vom 15.2.2020)