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zwar wird jeder einzelne zu seinem Amte immer von der Gesammtheit gewählt.

124 (4.) Sie wohnen nicht in einer eigenen Stadt beisammen, sondern es gibt in jeder Stadt ihrer viele. Mitgliedern, die von anderwärts herkommen, steht alles, was die Brüder des betreffenden Ortes besitzen, ebenso offen, als wäre es ihr Eigenthum, und die Ankömmlinge kehren ihrerseits bei Leuten ein, die sie früher nie gesehen haben, als wären sie schon lange mit ihnen bekannt. 125 Aus diesem Grunde tragen sie auch, wenn sie eine Reise machen, außer den Waffen zum Schutze gegen Räuber, nicht das geringste bei sich. In jeder Stadt wird ein besonderer Schaffner für reisende Bundesmitglieder ernannt, der ihnen Kleidung und alles andere, was sie benöthigen, beizustellen hat. 126 In ihrem ruhigen Wesen, wie in ihrer ganzen äußeren Haltung erinnern sie an Kinder, die noch unter der Ruthe des Erziehers stehen. Sie legen nicht früher neue Kleider oder Sandalen an, bevor die alten nicht ganz zerfetzt oder durch langes Tragen total abgenützt sind. 127 Unter sich selbst kaufen und verkaufen sie nichts, sondern jeder theilt das, was er vorräthig hat, mit dem, der etwas benöthigt, und bekommt dagegen von diesem wieder, was er gerade von ihm brauchen kann. Auch ohne Gegengabe hat jeder Essener von dem anderen, was er immer wünscht, sofort zu bekommen.

128 (5.) Was nun die Verehrung der Gottheit anlangt, so ist diese bei ihnen eine ganz absonderliche. Vor Sonnenaufgang hört man von ihnen auch nicht ein einziges alltägliches Wort, dafür aber senden sie gewisse altererbte Gebete zur Sonne empor, als wenn sie dieselbe um ihr Erscheinen bitten wollten. 129 Ist das geschehen, so werden sie von den Oberen entlassen, und geht jeder an seine Beschäftigung, die er gelernt hat. So arbeiten sie rastlos bis zur fünften Stunde, worauf sie sich abermal an einem bestimmten Orte versammeln und, ein Linnentuch um die Hüften gegürtet, sich den Leib mit kaltem Wasser abwaschen. Nach dieser Reinigungsceremonie kommen sie alle wieder in einem eigenen Gemache zusammen, in welches keinem, der außer der Secte steht, der Eintritt gestattet ist, während die Mitglieder selbst diesen Speisesaal nur im Zustande der Reinheit wie einen Tempelraum betreten. 130 Nachdem sie in aller Ruhe ihre Plätze eingenommen, kommt der Bäcker und legt einem nach dem anderen das Brot vor, während der Koch einem jeden noch ein Geschirr mit einem einzigen Gerichte vorsetzt. 131 Vor dem Essen spricht der Priester ein Gebet, vor dem ja niemand etwas anrühren darf. Nach dem Mittagessen betet er wieder, um so am Anfang, wie am Schlusse der Mahlzeit Gott dem Herrn als dem Spender der Nahrung die Ehre zu geben. Nach dem Mahle

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/160&oldid=- (Version vom 1.8.2018)