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Gesicht gemacht, des Nachts aber sich so angezecht, dass er es wie der tollste Nachtschwärmer getrieben habe. Dies sei auch, erklärte Antipater, der eigentliche Grund gewesen, warum das über ein solches Treiben ganz empörte Volk zum Aufruhr gegriffen habe. 30 Hier setzte der Redner zum entscheidenden Angriff ein: es war die Hinmordung sovieler Menschen in den Räumen des Heiligthums. „Diese armen Leute,“ rief er aus, „sind zur Festfeier gekommen, um über ihren eigenen Opfern selber unbarmherzig hingeschlachtet zu werden, und die Menge der im Tempel aufgethürmten Leichen erreichte eine solche Höhe, wie sie nicht einmal ein heidnisches Kriegsheer, und wäre es selbst ohne jede Kriegserklärung über die Stadt hergefallen, hätte aufhäufen können. 31 Selbst der eigene Vater hat schon diesen grausamen Charakter des Archelaus rechtzeitig durchschaut und ihm darum auch nicht die leiseste Hoffnung auf die Krone gegeben – abgesehen von jener Stunde, wo er, schon kränker am Geist als am Leibe und eines gesunden Gedankens nicht mehr mächtig, einen Thronfolger ins Codicil schrieb, den er nicht einmal mehr kannte, wohlgemerkt, ohne dass der König gegen den Erben im Haupttestamente, das er noch bei voller Gesundheit des Leibes und bei voller Geistesklarheit verfasst hatte, auch nur die geringste Beschwerde gehabt hätte. 32 Wollte aber schon jemand durchaus dem Urtheile eines schwerkranken Mannes eine größere Rechtskraft zuschreiben, so hat sich doch Archelaus selbst nachträglich durch seine die Krone schändenden Frevel die Herrschaft aberkannt. Oder was für ein sauberer Regent möchte doch wohl nach erlangter kaiserlicher Bestätigung aus einem Menschen werden, der schon vor dieser Bestätigung so viele Leute hat hinmetzeln lassen?“

33 (6.) Nachdem Antipater noch viele ähnliche Beschwerden durchgegangen und jeden einzelnen Punkt durch die Zeugenaussagen seiner Verwandten, von denen er die meisten für sich citieren konnte, belegt hatte, schloss er seine Anklagerede. 34 Hierauf erhob sich Nikolaus zur Vertheidigung des Archelaus und wies zuerst nach, dass das Gemetzel im Tempel ein Gebot der Nothwendigkeit gewesen sei, weil die niedergehauenen Empörer dadurch, dass sie den Thron des Herodes angriffen, auch die kaiserliche Oberherrlichkeit über denselben, von der gerade die gegenwärtige Gerichtssitzung feierliches Zeugnis gebe, angegriffen hätten. 35 Auf die anderen Beschuldigungen übergehend, konnte sich der Redner darauf berufen, dass gerade die Ankläger es gewesen seien, die dem Archelaus zu diesen Maßregeln gerathen hatten. In Betreff des Nachtrages zum Testamente endlich glaubte der Vertheidiger ganz besonders aus dem Grunde die Rechtsgiltigkeit vertreten zu können, weil Herodes darin auch die Bestätigung des Thronfolgers

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/146&oldid=- (Version vom 13.2.2020)