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höchste zu bewundern, weil sie, von einem Hagel von Geschossen eingehüllt, auch nicht die kleinste Ceremonie ihres Gottesdienstes unterließen. Denn gerade so, als wenn noch tiefer Friede die Stadt umfangen hielte, wurden die täglichen Opfer und die Opfer für die Reinigung und alle anderen Acte der Verehrung Gott dem Herrn mit aller Genauigkeit und Vollständigkeit entrichtet. Standen sie ja doch nicht einmal während der Erstürmung selbst, als das Mordgewühl schon um den Brandopferaltar tobte, von den gesetzlichen täglichen Verrichtungen des Opferdienstes ab! 149 Im dritten Monate der Belagerung drangen nämlich die Römer, nachdem sie mit harter Mühe einen der Thürme niedergeworfen hatten, in das Heiligthum ein. Der erste, der es wagte, die Mauer zu ersteigen, war ein Sohn des Sulla, Faustus Cornelius, ihm nach stürmten zwei Centurionen, Furius und Fabius, gefolgt von ihren Abtheilungen, welche die Juden von allen Seiten fassten und zum Theile schon auf ihrer hellen Flucht in den Tempel begriffen, zum Theil nach einem nur kurzen Widerstande auf der Stelle niederhieben.

150 (5.) In diesem Augenblick war es nun, wo viele Priester, als sie schon die feindlichen Soldaten mit blanken Schwertern auf sich losstürmen sahen, ganz kaltblütig bei ihrem heiligen Dienste aushielten: gerade beim Ausgießen des Trankopfers und bei der Darbringung des Räucherwerkes wurden sie selbst hingeopfert, so dass sie in Wahrheit dem Dienste der Gottheit ihr eigenes Leben nachsetzten! Die meisten Menschen wurden übrigens damals durch die jüdische Gegenpartei getödtet, und zahllose Juden stürzten sich selbst von den steilen Abhängen hinunter. Einige steckten in wahnsinniger Verzweiflung die um die Tempelmauer sich hinziehenden Gebäude in Brand und starben den Flammentod. 151 So fielen auf Seite der Juden 12.000 Menschen, bei den Römern dagegen gab es nur sehr wenige Todte, wohl aber eine größere Anzahl von Verwundeten.

152 (6.) Kein Schlag aber traf damals unter all’ dem Jammer das jüdische Volk so schwer, wie die Enthüllung des bis dahin verborgen gehaltenen Heiligthums durch die Hand eines fremden Volkes. Pompejus durchschritt nämlich mit seinem Stabe das Tempelhaus und kam selbst dorthin, wo nur dem Hohenpriester der Eintritt gestattet war, wobei er sich alle Gegenstände darinnen, den Leuchterstock mit den Lampen darauf, den Tisch mit den Schalen für das Trankopfer und den Gefäßen für den Weihrauch, alles von massivem Golde, eine Masse aufgehäuften Würzwerkes und den heiligen Schatz im Wette von 2000 Talenten besah. 153 Er rührte aber weder von diesem

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/039&oldid=- (Version vom 9.2.2020)