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Flavius Josephus: Juedischer Krieg (Bellum Judaicum) übersetzt von Philipp Kohout

zugrunde gerichtet hat, und dass von den Tyrannen der Juden selbst die Faust des Römers und seine Brandfackel mit aller Gewalt gegen den heiligen Tempel herangezerrt worden ist, dafür gibt kein geringerer, als der ihn zerstört hat, der Cäsar Titus selbst, Zeugnis, da er während des ganzen Krieges für das von den Aufrührern niedergehaltene Volk inniges Mitleid zeigte, ja zu öfterenmalen die Einnahme der Stadt aus freien Stücken hinausschob und die Belagerung in die Länge zog, nur damit die Schuldigen anderen Sinnes würden. 11 Sollte indes jemand an den Ueberschwenglichkeiten der Anklagen, die wir gegen die Schreckenshäupter und ihre Banden erheben, oder an dem Uebermaß des Jammers über die Unglücksfälle meines Landes eine allzu peinliche und kleinliche Kritik üben wollen, so möge er wenigstens aus Rücksicht auf meine seelische Erschütterung über die strengen Anforderungen der Geschichtschreibung gütigst hinwegsehen. War es ja doch gerade unserer Vaterstadt bestimmt, dass sie von allen unter der römischen Herrschaft lebenden Städten zum höchsten Gipfel des Wohlstandes emporklimmen sollte, um wiederum in den tiefsten Abgrund des Elendes hinabzustürzen. 12 Selbst alles Unheil, das seit dem Bestande der Welt die Menschen betroffen hat, scheint mir hinter dem der Juden noch zurückzubleiben, die überdies auch nicht einmal den Trost haben, einem Fremden dafür die Schuld aufbürden zu können – kein Wunder, dass es mir unmöglich war, meinen Jammer ganz zu bemeistern! Wollte aber jemand schon durchaus mit meinen Klagen allzu streng ins Gericht gehen, so möge er nur ruhig die erzählten Thatsachen der Geschichte, die Ausbrüche des Schmerzes aber dem Schreiber aufs Conto setzen.

13 Ich könnte indes selber mit Fug und Recht den griechischen Geschichtschreibern Vorwürfe machen, weil sie mit den folgenschweren Ereignissen, die sich doch vor ihren eigenen Augen abgespielt haben, und denen gegenüber sich die Kriege der alten Zeiten nur sehr klein ausnehmen, nichts anderes zu thun wissen, als den Kritiker zu spielen und auf ihre strebsamen Bearbeiter zu schmähen, hinter denen sie, mögen sie dieselben auch an schriftstellerischer Gewandtheit übertreffen, doch wenigstens an wissenschaftlicher Begeisterung zurückstehen müssen. Dafür greifen diese Kritiker in ihren eigenen Beschreibungen gar auf die Geschichte der Assyrer und Meder zurück, als wäre dieselbe nicht schon trefflich genug von den alten Geschichtschreibern behandelt worden, obschon sie ebenso weit von ihrer markigen Schreibweise, wie von ihrem gesunden Urtheile entfernt sind. 14 Denn die Geschichte der eigenen Zeit zunächst suchte damals jeder zu schildern, wobei sowohl die persönliche Theilnahme an den Ereignissen die Mit-

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: Juedischer Krieg (Bellum Judaicum) übersetzt von Philipp Kohout. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/015&oldid=- (Version vom 12.1.2020)