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Flavius Josephus: Juedischer Krieg (Bellum Judaicum) übersetzt von Philipp Kohout

gewiss anerkennenswert, dass die chronologischen Daten der zeitgenössischen Ereignisse öfter bis auf den Monatstag genau fixiert sind und über den Verlauf des Krieges, speciell der Belagerung Jerusalems, die wertvollsten Aufschlüsse bieten, wie sie die alten Schriftsteller nicht zu geben pflegen. Als Topograph ist unser Autor durch die neueren Untersuchungen vielfach gerechtfertigt worden, wenn man von seinen Höhenbestimmungen, Notizen über Flussläufe, Küsten u. s. w. und von gewissen Bemerkungen über den Norden des Landes und einzelnen Maßangaben über Tempel und Stadt absieht. Die Anschaulichkeit und Treue seiner Naturschilderung ist berühmt, und die Kriegsbilder, die er in raschem Wechsel vor unseren Augen vorüberziehen lässt, erheben sich zu den größten Leistungen antiker Scenenmalerei. Was aber seine Glaubwürdigkeit in der Darstellung des ganzen traurigen Dramas anlangt, die öfter ganz maßlos, besonders von Gfrörer, angegriffen worden ist, so wird die düstere Charakterzeichnung, die uns Jos. von den sog. patriotischen Parteien gibt, durch den ganzen Verlauf des Kampfes bestätigt. Denn dass diese Leute, denen kein Eid mehr heilig genug ist, die sich den wildesten Ausschweifungen der Rache überlassen, um damit jede Brücke hinter sich abzubrechen, die auch den billigsten Vergleich höhnisch ablehnen, bis sie beim letzten Bollwerk angekommen sind, dass solche Kämpfer auch im Innern der Stadt den äußersten Terrorismus übten, ist wohl mehr als glaublich. Der Name „Patriot“ ist denn doch, meine ich, zu edel für solche blutrünstige Gestalten, die schon längst nicht mehr für die Stadt, sondern gegen das Henkerbeil und Kreuz kämpften. Der zweite jüdische Krieg mit seinen Greueln gegen die wehrlosen Christen und dem unstillbaren Hasse gegen die Heiden ist allein ein vollgiltiger Beweis für die Wahrheit der historischen Physiognomien des Jos. Oder ist etwa auch der gegenseitige, ebenso wahnsinnige als brudermörderische Kampf der großen Parteien in Jerusalem, der für sich schon diese Sorte von Patrioten zur Genüge kennzeichnet, ist das Gelüsten ihrer Führer nach dem Königthum wirklich nur eine Dichtung? Ist die entsetzliche Hungersnoth, die nur durch ein unverantwortliches Vergeuden der Lebensmittel zu erklären ist, da die Stadt lange Zeit hatte, sich zu verproviantieren, eine Fiction gewesen? Ist die Thatsache wegzuleugnen, dass die begeistertsten Freunde der Freiheit, wie ein Niger von Peräa, an denen gar kein Schatten eines Verdachtes haften konnte, die Schreckensherrschaft in gleicher Weise, wie die „Verräther“, fühlen mussten? Die Tapferkeit der Rebellen ist Jos. eher geneigt zu vergrößern, als zu mindern. Das spricht sehr für seine Treue, abgesehen davon, dass er unter den Ueberläufern, den freigelassenen Bürgern Jerusalems und Priestern, wie auch unter den Römern viele Zeugen hatte, die bis zu den zwei Hauptfeldherrn des Krieges hinauf die competenteste Kritik am Werke üben konnten. Dass Jos. die Todten nicht immer gezählt,

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: Juedischer Krieg (Bellum Judaicum) übersetzt von Philipp Kohout. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/008&oldid=- (Version vom 9.2.2020)