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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien

für Dollmayrs Annahme bildete das Triptychon mit dem Jüngsten Gerichte, dem Paradiese und der Hölle in der Akademie der bildenden Künste zu Wien, ein Werk, das lange Zeit als eines der wenigen echten Stücke Hieronymus Boschs außerhalb Spaniens gegolten hatte. Ich selbst hatte bemerkt, daß die Malweise dieses Gemäldes nicht zu der Hieronymus Boschs stimme,[1] und die Frage aufgeworfen, ob es nicht auf Grund des auf einer Messerklinge angebrachten Buchstaben dem von Van Mander als Nachfolger Boschs erwähnten Jan Mandyn zugeschrieben werden könnte. Den Vergleich mit dem einzigen bekannten bezeichneten Werke Mandyns in der Corsinischen Sammlung in Florenz hat hierauf Dollmayr gezogen und dabei meine Vermutung nicht bestätigt gefunden: das Corsinische Bild, eine Versuchung des hl. Antonius, zeigt einen viel späteren, schon stark aufgelösten Stil und auch die Werke, die Dollmayr um dieses beglaubigte gruppierte, sind viel weiter von Boschs Stile entfernt als das Jüngste Gericht der Wiener Akademie. Dollmayr glaubte nun in dem letztgenannten Werke die Hand eines andern Nachfolgers Hieronymus Boschs zu erkennen, den er als Monogrammisten bezeichnete und dem er außer dem Jüngsten Gerichte die folgenden Werke zuschrieb: das Triptychon mit der Dornenkrönung im Museum von Valencia, wo das gleiche Monogramm ebenfalls auf einem Messer angebracht erscheint, die Tischplatte mit den Sieben Todsünden, den Heuwagen und die Weltlust im Eskorial, die Steinoperation im Prado (Nr. 1860) und endlich eine Reihe von Bildern von geringerer Bedeutung, die ich hier außer acht lassen möchte.

Diesem Verdammungsurteil, das nur auf Grund von Photographien gefällt wurde, steht nun die schwerwiegende Ansicht eines Kenners wie Carl Justi entgegen, der nach gründlicher Autopsie der Originale alle die fünf genannten in Spanien befindlichen Bilder als echte Werke Boschs anerkannt hat. Ich glaube auch, daß man selbst nach dem Studium der Photographien allein sich Justis Urteil anschließen muß: diese fünf Gemälde bilden allerdings vielleicht eine zeitlich zusammengehörige Gruppe, die aber keineswegs aus dem Rahmen von Hieronymus Boschs Stile herausfällt, sie stimmen in vielen Einzelheiten und vor allem in der Gesamtauffassung mit den beglaubigten Werken des Künstlers überein. Ist es wahrscheinlich anzunehmen, einer seiner Nachfolger hatte eine solche unerschöpfliche Erfindungsgabe, so viel Kompositionstalent, so viel Humor besessen, wie sie sich in diesen Werken zeigen? Er müßte ja geradezu in diesen Eigenschaften den Meister selbst übertroffen haben. Auch können wir schon aus dem Grunde nicht wagen, diese Gruppe von Bildern aus der Liste von Boschs Werken zu streichen, weil wir den künstlerischen Entwicklungsgang des Meisters, der, nach seinem gestochenen Bildnisse zu schließen, ein hohes Alter erreicht haben muß, heute noch keineswegs klar überblicken können.

Mit dem Jüngsten Gerichte der Wiener Akademie hat es nun aber eine andere Bewandtnis. Es steht sowohl der eben besprochenen Gruppe spanischer Bilder als auch andern beglaubigten Werken Boschs ganz außerordentlich nahe, so daß man nach der Photographie fast an eine Arbeit Hieronymus Boschs selbst denken könnte; doch vor dem Originale sieht man an der schweren, trüben Färbung, die schon an die spätere Antwerpener Schule erinnert, daß von der Hand Boschs hier nicht die Rede sein kann. Da aber die Einzelheiten der Zeichnung völlig zu dessen beglaubigten Werken stimmen, so ist der Schluß erlaubt, daß hier eine Kopie nach einem Gemälde des

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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien. , 1904, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrbuch_der_k%C3%B6niglich_preuszischen_Kunstsammlungen_vol_025_Zu_einem_Bilde_von_Hieronymus_Bosch_in_der_Figdorschen_Sammlung_in_Wien.djvu/8&oldid=- (Version vom 13.3.2023)
  1. Kunstchronik 1896, S. 196.