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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien

Braunschweiger Monogrammist in die niederländische Kunst eingeführt, ja zu seinem Spezialfach erhoben hatte. Bezeichnende Beispiele dieser Art sind ein Bild von Jan Hemessen im Brüsseler Museum (datiert 1536), wo die Figürchen im Hintergrunde von der Hand des Braunschweiger Monogrammisten sind, ferner ein Gemälde, das von einem dem Peter Aertszen verwandten, etwa gleichzeitigen Künstler, wohl von Jan Mandyn, herrührt, in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien (Nr. 773, mit Unrecht bisher Hendrik van Cleve zugeschrieben), und endlich, um auch ein viel späteres Beispiel zu nennen, ein schwaches anonymes Bildchen des Germanischen Museums in Nürnberg (Nr. 533), das etwa im letzten Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts entstanden ist. Auf solchen Bildern sehen wir den verlorenen Sohn in modischer Tracht, umgeben von einem Kreise von verworfenen Mädchen, von Gaunern und Spielern; er wird von allen Seiten bestohlen und schließlich, nachdem man ihm alles genommen hat, halbnackt zur Tür hinausgeworfen. Die dem Geiste des Evangeliums viel wesentlicheren Schilderungen des verlorenen Sohnes als Schweinehirten und seiner Rückkehr zum Vater finden nun nur mehr als nebensächliche Episoden des Hintergrundes ihre bescheidene Verwendung. Es scheint als ob die Künstler zu dieser Auffassung neben der Neigung zum Sittenbildlichen auch von einer moralisierenden Tendenz gedrängt worden wären, die den ursprünglich tief religiösen Sinn des Gleichnisses verschoben und endlich ganz verwischt haben mag. Erst Rubens hat (in einem Bilde des Antwerpener Museums) wieder den verlorenen Sohn neben seinen Schweinen dargestellt, wie es über ein Jahrhundert früher Dürer in seinem Kupferstich getan hatte. Aber obwohl Rubens seinem Schweinehirten in Gesichtszügen und Haltung sehr wohl den Adel tiefer Reue zu verleihen wußte, so hat er sich doch in der Darstellung des Stalles, wo der Vorgang spielt, nicht genug tun können und dadurch die Hauptfigur zu einer episodischen gemacht, so daß Jakob Burckhardt vor dem Bilde mit Recht ausrufen konnte: »Ist es nun als Genrebild, als Tierbild, als baulicher Anblick, als Stillleben von allerlei Gerät aufzufassen? Rubens, welcher all dieser Terminologie gespottet haben würde, malte vor allem, wie ihn der Geist führte, und es wurde ein Ganzes von seltenster Art.« Jakob Jordaens finden wir auf ähnlichen Pfaden in dem stimmungsvollen Bilde der Dresdener Galerie, wo der verlorene Sohn an einem stürmischen Gewitterabend bei einem braven Bauernpaare als Schweinehirt Aufnahme findet. Die Darstellung der verschiedenen Tiere und der Gewitterstimmung ist hier dem Künstler so sehr zur Hauptsache geworden, daß er darüber vergessen hat, wie schwer es dem Beschauer fällt, diesem feist und athletisch gebildeten Jüngling den ganzen Jammer seiner Existenz zu glauben. Am weitesten aber ist in der Neigung, das Beiwerk zur Hauptsache zu machen, der Holländer Harmen Saftleven gegangen in einem kleinen Bildchen der Figdorschen Sammlung in Wien: hier sehen wir in einem Bauernhofe einen wüsten Haufen verfallenen Gerümpels und dahinter ganz im Hinter­grunde das winzige Figürchen des verlorenen Sohnes bei seinen Säuen.[1] Aus dem biblischen Gleichnis ist ein reines Stilleben geworden. Zur selben Zeit aber, da Saftleven an diesem Virtuosenstückchen malte, hat sein großer Landsmann Rembrandt, der die Bibel nicht nur von außen kannte, den alten Stoff wieder vorgenommen und über diesen Gegenstand das Tiefste gesagt, was die bildende Kunst darüber zu sagen hatte. In einer Radierung vom Jahre 1636, in mehreren Handzeichnungen und endlich in einem herrlichen Ölgemälde der Ermitage, das kurz vor seinem Tode entstanden ist, hat er die Rückkehr des verlorenen Sohnes dargestellt. Die handelnden Personen beschränkt

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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien. , 1904, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrbuch_der_k%C3%B6niglich_preuszischen_Kunstsammlungen_vol_025_Zu_einem_Bilde_von_Hieronymus_Bosch_in_der_Figdorschen_Sammlung_in_Wien.djvu/4&oldid=- (Version vom 11.3.2023)
  1. Eine Abbildung bei Th. von Frimmel, Kleine Galeriestudien N. F., IV. Lief., S. 27.