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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

eine wissenschaftliche Sprache, welche durch ihre charakteristische Ausgeprägtheit, ihre Präcision und Wissenschaftlichkeit die gelehrte Welt in Erstaunen setzen würde, wenn diese im Stande wäre, sie zu würdigen. Dieser Mangel einer bestimmten festen Nomenclatur nun macht die Schriften der tüchtigsten russischen Agronomen ungeniessbar, ja oft rein unverständlich. So sind die Schriften des tüchtigen Pawlow, ehemaligen Professors der Oekonomie an der Moskwaer Universität und Herausgebers des „russischen Oekonomen“, grossentheils desshalb ohne Nutzen und Einfluss geblieben, weil ein jeder des Russischen kundige Oekonom seine Sprache missverstehen und durch seine Anleitung zu Missgriffen und Fehlern verleitet werden musste, an die er sonst im Traume nicht gedacht hätte.

 Unter diesen Umständen dürfte es der Regierung lange Zeit hindurch noch schwer werden, trotz allen Musteranstalten, als Mustermeiereien, Musterzüchtereien, Mustergestüten und dergleichen kostspieligen und nur den äussern Glanz von sich strahlenden Instituten, die Agrikultur des Landes auf jene wissenschaftliche Höhe zu erheben, in welcher sie in den westeuropäischen Ländern steht. Es fehlt vieles, noch gar zu vieles. Und den Mangel dessen in kurzer Zeit auszufüllen, dürfte selbst die Kräfte einer energischen und thatkräftigen Regierung überschreiten.



V.
Literatur und Kritik.

1. Puschkin
von
Mickiewicz

 Der Krieg gegen Napoleon, welcher ganze Massen russischer Heere bis in den fernsten Westen Europa’s führte und den intelligentesten und bewegtesten Theil der russischen Nation mit den Deutschen, Franzosen und Engländern in die genaueste Berührung brachte, hinterliess in den Gemüthern der entschlossenen Vaterlandsvertheidiger eine Masse von halbverdauten und oft übelverstandenen Freiheitsideen, welche nach ihrer Rückkehr auch in der Heimath ihren zersetzenden Einfluss auf alle gesellschaftlichen Verhältnisse nicht verläugnen konnten. Selbst der Kaiser schien den freieren Ideen Vorschub leisten zu wollen; denn er entfernte die religiösen Schwärmer, die ihn in Wien umgaben, gab Lithauen eine grosse Amnestie und setzte sich mit den Polen auf einen freundschaftlichen Fuss. Allein er fiel den Martinisten und dem Fürsten Galicin in die Hände; ein Magnicki schmiedete seine heimlichen Pläne und wusste das Ansehen des Kaisers niederzudrücken. Mit ihm vereinigte sich gewissermaassen die allrussische Parthei, den Admiral Schischkow an der Spitze, um das System Peters des Grossen in seiner Gänze wieder einzuführen. Durch alle diese mehr oder weniger geheim gehaltenen Vorgänge zu Verdacht erregt, desavouirte die öffentliche Stimme alle diese Machinationen und sprach sich mit rückhaltsloser Entschiedenheit gegen sie aus. Allmählig tauchte die Idee auf, man müsse ihnen mit Kraft entgegen treten, und sollte dabei auch die herrschende Dynastie der Vernichtung anheim fallen. Die Unzufriedenheit und das Missbehagen ward immer grösser und der Entschluss, eine vollkommene Revolution, wie etwa die französische, zu erregen, immer fester. Die sämmtlichen Schriftsteller, die zum Theil in der Verwaltung, zum Theil im Heere dienten, traten der Verschwörung bei und schon um das Jahr 1820 stand

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/56&oldid=- (Version vom 24.9.2022)