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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

über die Rechtschreibung, bei welcher Gelegenheit der Verf. eine Reihe gewöhnlich falsch ausgesprochener Worte anführt, welche einen deutlichen Anblick auf den Volksdialekt und auf seine Abweichung von der Schriftsprache gewähren. Wie wichtig wäre es, wenn wir auch über die übrigen slawischen Dialekte und Mundarten ähnliche, wo möglich weitläuftigere Angaben besässen, besonders in diesem Augenblicke, wo es sich darum handelt, die Aehnlichkeit und das Kongruente in den slawischen Dialekten herauszusuchen und die Frage, ob sich nicht ein einziger slawischer Dialekt aus den jetzt gangbaren Sprachweisen konstruirte, endlich wissenschaftlich[WS 1] und wo möglich praktisch zu entscheiden. Die Nomenklatur des Verf. weicht in einigen Punkten von der gewöhnlichen ab, doch kann man ihr die Zweckmässigkeit nicht absprechen. In der ersten Deklination (uchylka) hat der geehrte Herr Verf. die Beispiele had und mlat. In der zweiten muž und meč, in der dritten kost, in der vierten žena, in der fünften duše und dań, in der sechsten déwče; in der siebenten moře, in der achten slowo, in der neunten psanj. Auf diese Weise unterscheidet sich der Verf. in nichts von Dobrowsky. Dasselbe gilt von den übrigen Redetheilen. Nur im Zeitwort ist der geehrte Herr Verf. weniger glücklich; zwar ist das System Dobrowsky’s vollständig angenommen, allein dennoch so wenig ausgeführt, im Ganzen so kurz behandelt, dass der in der Sprachwissenschaft weniger bewanderte Schullehrer mancherlei Schwierigkeiten dabei haben dürfte. Freilich ist das slawische Verbum bis diesen Augenblick noch der schwächste Theil der grammatischen Bearbeitung. Dobrowsky hat in seiner genialen Weise den Grundcharakter wohl getroffen, aber ihn vollständig auszuführen, ihn vorzüglich durch Vergleichung mit anderen Dialekten, ohne Rücksicht auf das, was gebräuchlich und was veraltet ist, in ein organisches Ganze auszubilden, ist weder ihm, noch seinen Schülern bisher gelungen. In diesem einzigen Punkte hätten wir eine grössere Ausbreitung gewünscht. Höchst zweckmässig erscheinen uns dagegen die vielen Beispiele, welche der Verf. gibt, so wie die Bearbeitung der Syntax. So ist denn das Buch jedenfalls der Auszeichnung der Schulbehörde würdig.

 Apologie des ungrischen Slawismus. Von S. H****. Lpzg. 1843. Volkmar. 133 S. Eine ruhig gehaltene aber desto schlagendere Darstellung des Strebens und der Thätigkeit der ultramagyarischen Partei, welche sich würdig an die bereits früher besprochene „Stellung der Slowaken vom Grafen Thun“ anreiht. Thun hatte es mit Pulszky zu thun, dem kenntnissreichen aber wahrhaft brutalen Hauptarbeiter an der Vierteljahrsschrift aus Ungarn; der Verf. der Apologie tritt einem anderen Chorführer der Magyaromanen entgegen, dem wüthenden, im Feuereifer über alles Mass hinausgehenden radikal gesinnten Redakteur des Pesti Hirlap, Kossuth, entgegen. Diese beiden Männer, in der That die grössten Koryphäen in der magyarischen Ultrapartei, haben merkwürdiger Weise das Gemeinsame, dass sie beide von „fremdem“ Stamme sind; Kossuth ist ein geborener Slowake und sein nächster Anverwandter einer der Hauptunterstützer der slawischen Partei; Pulszky dagegen ist aus polnischem Geblüt und erst sein Vater oder Grossvater hat sich nach Ungarn übersiedelt. Auffallend hat es uns daher geschienen, dass sowohl Thun, als unser Apologet diesen Umstand gänzlich mit Stillschweigen übergangen haben; wir sehen keinen anderen Grund, als den, dass sie es vermeiden wollten, durch Darlegung ihrer ganzen Verachtung gegen Leute, die ihrem Stamme abfielen, Persönlichkeiten in Verhandlungen zu mischen, deren Kraft auf Begriffen und Rechtsgefühl beruht. Der Verf. der Apologie thut das zwar indirekt, indem er die Erbärmlichkeit und Schlechtigkeit eines Renegaten überhaupt darstellt; allein er wendet sich nicht an die Männer geradezu. — An Kossuth richtet der Verf. seine sechs Briefe deshalb, weil er die Leitung einer Zeitschrift vom grössten Einflusse habe. Andere Gründe finden sich auf S. 6, wo es heisst: „Da traten Sie mit ihrem „Pesti

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/370&oldid=- (Version vom 14.2.2021)