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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

auf dem Kampfplatze zu erscheinen, um das vermeintlich so sehr bedrohte, alte gute Recht zu vertheidigen. Die Landeskongregation wurde endlich auf den 22sten und die folgenden Tage des Monats April l. J. bestimmt. Es strömten daher schon am 21sten Schaaren der von den Magyaromanen geworbenen Bauern-Edelleute herbei. Sie waren insgesammt mit Säbeln, Aexten, Wurfhacken und ausserdem mit derben Knitteln bewaffnet, die mit eisernen Spitzen und Bleiknöpfen versehen waren. Dies sind heut zu Tage in Hungarn die modernsten Mittel, um der Divination zur Gesetzgebung Eingang und Geltung zu verschaffen. Aber Hungarn soll sich nicht ausschliesslich der Bureaukratie rühmen, Kroatia blieb in diesem Fortschritte hinter ihrer mächtigeren Schwester — wie hier zu sehen ist — keinerdings zurück. In Agram wurden die beknittelten Väter des Vaterlandes von ihren Werbern in mehrere Hofräume eingepfercht, und zum Entgelt für die Reisebeschwerniss — bis zur Unfähigkeit, einen Exzess zu begehn — gelabt. Nur einige der halb nüchtern verbliebenen Unteranführer erhielten die Erlaubniss, sich in der Stadt umzusehen. Diesen kühlte aber der Anblick der von allen Seiten blitzenden Bajonette vollends den traubensaftigen Muth zu raufboldigen Explosionen ab. Sie kehrten daher in bescheidener Enthaltsamkeit von Angriffen zu ihren von einem süssen Taumel benebelten Brüdern zurück. Die Zahl der zur Theilnahme an der Gesetzgebung vom Pfluge abberufenen Schaar belief sich auf 719 Mann. Es wurden zwar von den Behörden alle Maassregeln genommen, um Unordnungen vorzubeugen; allein der Haufe war gross genug, um — nach den Vorbildern im Zalader, Szatmarer, Marmoroscher und Beregher Komitate — wo immer durchzubrechen, und ähnliches Unheil, wie dort geschah, auch hier zu stiften. Die Nacht vom 21sten auf den 22sten April d. J. verstrich daher nicht ohne Besorgniss der agramer Einwohnerschaft für ihre Habe, nach der Viele der magyaromanischen Gäste lüstern schienen. Die Führer des beknittelten Corps wollten aus zarter Schonung des eigenen Ich, und weil sie überhaupt nach dem Prädikate der Eisenfresser nie geizten, keinen Straus anbinden, zumal sie wussten, dass sie von wachsamen Augen aufs Korn genommen wurden. — Andererseits hielt wieder die Horde ohne Führer, die sich in der Regel im Augenblicke der Gefahr, wie sie es bei Gelegenheit der agramer Komitatsrestauration bewiesen haben, lieber verstecken, als vortreten, für nicht gerathen, sich gegen die mit Nachdruck aufgetretenen Behörden aufzulehnen. Am 22sten Morgens wurde das ganze Heer der Knittler vor dem Komitatshause, in dem die Landeskongregation abgehalten werden sollte, versammelt. Das sichtbare Oberhaupt desselben, der kroatische Pausanias, Komes von Turopolja, machte Miene, sie in den Kongregationssaal zu berufen, um sie dort an den Berathungen Theil nehmen zu lassen. Allein die höchste Landesbehörde und das zur Berathung gesetzlich berufene Kollegium der Notabilitäten erkannten, dass sie die Knittelweisheit gänzlich entbehren könnten. Um jeder Zudringlichkeit und gewaltsamen Störung zu begegnen, auf die es von dem Komes von Turopolja abgesehen war, wurde die Berathung für den 22sten April aufgehoben. Den Magyaromanen geschah dadurch freilich ein grosser Strich durch ihre Rechnung. Für das Allgemeine war die Vertagung der Berathung von höchst wichtiger und wohlthätiger Folge. Es wurde dadurch das vorausgesehene Blutvergiessen verhütet. Viele der Knittler sahen bei solcher Gestalt der Dinge sogleich selbst ein, dass man sie zu ganz andern Zwecken brauchen wolle, als ihnen bei der Einberufung vorgespiegelt wurde. Andere aus ihnen wurden eines Bessern belehrt; und wieder Andere hatten ihre Vorräthe ohne Hoffnung einer Nachfassung aufgezehrt. Alle diese Kategorien fanden für gut, Agram sogleich zu verlassen, wo ihnen ohnehin der versprochene Theil nicht erblühte. Die noch Zurückgebliebenen wurden dann am 23sten nach ihrer Heimath gewiesen, und die Berathungen am 24sten eröffnet.

 Vom 21sten bis 26sten glich Agram einer belagerten Stadt. Patrouillen durchzogen Tag und Nacht alle Gassen und Strassen. Auf den gelegensten Punkten

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/286&oldid=- (Version vom 25.11.2019)