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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Köpfe. — Nr. 24. Ueber die polnisch-nationale Lebensthätigkeit im Posenschen, besonders über die Bestrebungen, den Bürger- und Bauernstand zu beben, die drei Vereine in Gostyn, Gnesen und Schamotuły, so wie über die Leistungen des Historikers Lukaschewicz wird sehr viel Wahres berichtet. Nur ist der Verfasser auf dem Holzwege, wenn er „zu den Polen in Preussen — nur den grossen Theil der Bevölkerung der posenschen Provinz rechnet und nicht, wie jene Slawomanen, auch die Hälfte von Schlesien und ein Stück von Ostpreussen.“ Für’s Erste rechnet Niemand halb Schlesien zu den Polen, sondern nur die grössere Hälfte von Oberschlesien, die von Polen bis diese Stunde bewohnt ist. In Ostpreussen ist der ganze südliche Strich des Landes bis an die Weichsel, und von da etwas an ihrem linken Ufer ab bis nach Danzig und an die Ostsee hinunter ebenfalls bis zur Stunde von Polen bewohnt. Und der Verfasser wird sie mit seinem Gänsekiel wohl schwerlich von da „ausrotten.“ Da nun aber diese Leute einmal Polen sind, und jene Länder zu Preussen gehören: so ist es keine Slawomanie, sondern es wäre vernagelte Dummheit, sie nicht zu „den Polen in Preussen“ rechnen zu wollen. Der Verfasser widerspricht sich in dieser Hinsicht selber, da er später ausdrücklich erklärt, der „literarische Ausschuss“ sei bemüht, seine polnischen Schriften auch „in Ostpreussen bei den Masuren, in Schlesien bei den Wasserpolen, so wie Gallizien“ auszubreiten. — Nr. 28. Beil. wird die Hospodarswahl in Bukarest ausführlich und in’s Detail beschrieben.

 Augsburger allgem. Zeitung. Januar. Nr. 7. Beil. Reisebriefe aus der Krimm, Baktschisaraj. Sind recht interessante Schilderungen. — Nr. 15. Gewerbliche Zustände in Polen und Russland; sehr viel genaue Daten über Zoll und Eingang von Waaren. — Nr. 16. 17. 18. Beil. Ueber Schwedens Stellung zu Russland u. Deutschland. Ein tiefdurchdachter Artikel, in dem erstens die ungeheuren materiellen und politischen Vortheile Russlands bei der Erwerbung Finnlands dargethan, dann aber auch die Nachtheile aufgezählt werden, welche Schweden durch dessen Verlust gehabt; deren nicht geringster ist, dass Schweden ohne Finnland zu einer Macht zweiten Ranges herabgesunken. Daraus hat es die Verbindung mit Norwegen nicht gezogen; nur wenn Dänemark sich an sie zu einem Staate anschliesst, kann Schweden die alte Stellung wieder erringen. Und das wird als leicht möglich dargestellt. Dann aber auch noch in Aussicht gestellt, dass Finnland wieder schwedisch und die Ostseeprovinzen deutsch, nämlich preussisch werden. Wie bald mag der Mann wohl meinen, dass das geschieht? Nr. 22. Beil. Ueber das juridische Werk von Pusztay über Ungarn, eine sehr anerkennende Besprechung. — Nr. 31. Die hohen Begriffe von der Industrie im Königreich Polen als illusorisch dargestellt.




VII.
Miscellen.

 In Charkow erscheint ein besonderer „ukrainischer, literarischer Sammler,“ unter dem Titel: Молодикъ (der Anfänger), in zwei Bänden, herausgegeben von J. Becki. Die bekanntesten russischen, besonders auch die charkower Schriftsteller nehmen Antheil an demselben. Der Redacteur bemüht sich, seine Sammlung durch den localen Charakter und das locale Interesse auszuzeichnen. Ausser einigen Uebersetzungen aus dem Polnischen, wie von Korzeniowski’s piąty akt, seinen Gorali (Fragment) und Kraschewski’s Mädchen von Ostra brama, enthält der erste Band in kleinrussischer Sprache: Perekatipole von Osnowianenko, der Bettelsack, die Jagd (Volkssagen); ein Bruchstück aus der Königinhofer Handschrift, übers. von Hałka; ukrainische Nationalromanzen, Hochzeitlieder u. s. w. Der zweite Band: Die ersten Kriege der kleinrussischen Kosaken mit den Polen; ein Bild von kleinrussischen Ueberlieferungen und Sitten. Uebersicht der in kleinrussischer Sprache geschriebenen Werke von Hałka u. A. Dazu kommen Portraits von ukrainischen Schriftstellern und grossen Männern (Dubr. Iutrzénka).

 Die Warschauer Zeitschrift: Iutrzénka-Dennica (polnisch und russisch zugleich), redigirt von Dubrowski, welche bisher monatlich zwei Mal zu 1½ bis 2 Bogen stark erschien und mit unsern Jahrbüchern die Idee des Panslawenthums gemein hat, erscheint von Januar dieses Jahres an in monatlichen Lieferungen.

Unter dem Titel: „Lieder des polnischen Volks (pieśni ludu polskiego)“, hat Herr Kolberg, ein junger, viel versprechender Compositeur, bei Županski in Posen 24 Lieder, Text und Melodie mit trefflicher Begleitung, herausgegeben, welche in der musikalischen Welt eine desto grössere Aufmerksamkeit verdienen, je nationaler sich die polnische Musik bisher entwickelt hat. Die Ausstattung ist ausgezeichnet und eines solchen Unternehmens, das den Dank Aller verdient, würdig.

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/164&oldid=- (Version vom 6.11.2019)