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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Stirn anlehnend, mit Schmelzwerk, Perlen und Spitzen geziert ist,) konnte man bestimmen, aus welcher Gegend eine Frauensperson sei. So gab es Kaluger, Bjelewer, Ostager, Torzkower, Moskwaer Kokoschniks, Tuler, Moskwaer, Orlower, Mczensker, Jaroslawler Sborniks. Die Kokoschniks und die Sborniks wurden aus grellgeblümten Seidenstoffen oder aus hoch- oder carmoisin-rothem Barchent verfertigt und mit Posamentirarbeit an den Rändern und Perlenstickerei an den hervorragenden Theilen — oft mit grosser Pracht — verziert. Die Ohrgehänge und der Halsschmuck hatten ebenfalls ihre alterthümliche Gestalt und bildeten selbst bei den reichsten Mädchen den wichtigsten Theil der Mitgift; denn sie behielten ewig ihren unveränderlichen Werth und ihre ungeschmälerte Brauchbarkeit, und man schätzte sie desto höher, je öfter sie von Mutter auf Tochter in einer Familie vererbt worden waren. Der Halsschmuck bestand aus Perlenschnüren, Kopfbinden (powjazka), dann allerhand anderen Schnüren und Bändern. Die Perlenschnüre waren aus Zahlperlen angereiht; die Schnuren und Bänder mit den feinsten Perlen gestickt, die Kopfbinden aus Perlen in Gestalt eines breiten Fitzeibandes gearbeitet. Mit dieser Arbeit beschäftigten sich die heirathsfähigen Mädchen in der Fastenzeit, wenn die verwandten und bekannten Frauen zusammen kamen, um, wie man sagte, „auf den Tag zu sitzen (posidjet na den).“ Ueberdiess trug man noch an den Händen Ueberärmel, auch mit Perlen gestickt. Ein Saraphan (langes Oberkleid, vorn mit einer Reihe Knöpfe, wie die Priesterröcke bei uns) von Gold- oder Silberstoff, ein stoffener Mantel mit Zobel verbrämt, weisse, steifgestärkte Aermel von Nesseltuch, an drei Arschin lang, ein goldenes Kettchen auf dem Halse, unter diesem eine kleine Krause, eine weisse Fata (Art Schleier) von Seide oder Nesseltuch von dem Kokoschnik herab, feine Strümpfe, nette Schuhe mit hohen Absätzen (baschmaki oder czerewiczki), — diess bildete den festlich-schönen Anzug einer reichen, verheiratheten Frau, wenn sie bei einer Tafel oder einer Abendunterhaltung erschien. Der Putz der „rothen Mädchen“ bestand aus einem Corset ohne Aermel (dusche-grjejka, Seelenwärmer), einen Saraphan, einer Halskrause, einem hellrothen Bande in dem blonden Haarzopfe; aber aller Schmuck war nichts gegen den Glanz, den ein dichtes blondes Haar dem Mädchen gab, wenn es dasselbe in einem Zopfe zusammengeflochten trug, das war ein unschätzbares Besitzthum, ein Schatz über alle Schätze.

 Schon vor der Ankunft der Gäste war mitten in dem Zimmer, doch etwas näher an die Thüre, ein Tisch aufgestellt, und auf diesem ein pêle-mêle aus allerhand Speisen zum Imbiss vorbereitet worden. Da waren auf zinnerne Teller aufgeschüttet: Hasel-Nüsse, gedörrte sibirische, griechische und welsche Nüsse, Pfefferschwämme, Pfeffernüsse, Wjasemer Pfefferkuchen, Bjelewer, Tuler Papuschniks (kleine, lockere, gesäuerte Brödchen); frische Aepfel von mannigfachen Sorten, dann eingelegte, gedörrte, mit Kwas gedünstete und Ukrainer Aepfel; grosse und kleine Rosinen, Corinthen, Weinbeeren; gebackene Ukrainer und überseeische Pflaumen, frische, gedörrte, eingemachte Birnen; grosse gelbe Birnen, Dulja genannt, Bergamotbirnen; getrocknete Wladimirer und Ukrainer, dann Weihnachts- und Basilius-Kirschen; mit Zucker und Honig eingesottene Johannisbeeren (Ribis), Kirschen, Himbeeren, eingemachte Preusselsbeeren; mit Honig gedünstete Massholderbeeren (Kalinken), Pfirsiche; eingemachte Moosbeeren, Kolomensker Moosbeer- und Aepfelsaft, mit Zucker dick gesotten und in Scheiben gegossen. In reichen Häusern wurden solche Leckerbissen immer aufs ganze Jahr in Vorrath zubereitet.

 Kaum waren nun die Gäste eingetreten, so wurden sie auch schon mit Speise und Trank versehen. Auf einem hölzernen Präsentirteller brachte der Hausherr in silbernen Pokalen abgezogenen Johannisbeer-, Aepfel-, Himbeer- und Eberäschen-Liqueur; weissen, auch schwarzen, mit Moosbeeren versetzten Meth; wohlriechendes und Sammes-Bier (besondre Arten), sowie März-Braga (auch eine Art eigenthümlichen Bieres). Einen jeden Gast rief der Hausvater bei seinem Namen auf und trug ihm das Getränke an, oder bat ihn, wenn er sich gar sehr sträubte, doch wenigstens zu kosten. Die Hausfrau aber stand hinter ihm

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/123&oldid=- (Version vom 29.9.2019)