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ihr alles nichts, die Kerle hielten fest; der junge Graf aber sprach:

„Jeder Mensch hat zwei Zornbraten; wer zu zornig ist, dem müssen sie ausgeschnitten werden.“

Als er dies noch sagte, hatte er auch schon das scharfe Dolchmesser aus der Tasche gezogen, und: Ritz, ratz! schnitt er zweimal der Länge und zweimal der Quere in das dicke Fleisch hinein und holte ein Stück heraus, anderthalb Spannen lang und eine halbe Spanne breit. Das warf er vor die Gräfin auf den Fußboden, daß es klatschte, und sprach:

„Den einen hätten wir; jetzt kommt der andere Zornbraten an die Reihe.“

„Ach, liebster Herr Schwiegersohn“, rief da die Gräfin, „ich fühle, es hat schon geholfen; der eine Zornbraten wird es schaffen!“

„Wollen sehen“, antwortete der Graf, „es ist ja später immer noch Zeit!“

Darauf mußten die Knechte die Gräfin loslassen, und sie konnte die Wunde ausheilen.

Nachdem die vier Wochen vergangen waren, fuhr der alte Graf wieder vor.

„Jetzt ist Mutterchen gesund“, sagte der junge Graf lachend, „und wenn sie wieder böse werden will, so sag ihr nur, du würdest sogleich anspannen lassen, daß ich den andern Zornbraten auch ausschnitte.“

Da nahm der alte Graf seine Frau zu sich in den Wagen und fuhr mit ihr auf sein Schloß zurück. Und richtig, die Gräfin war von jetzt ab die folgsamste Frau; und wenn sie wirklich einmal böse werden wollte, so

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Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)