Es war einmal ein reicher Graf; aber viel Freude hatte er von seinem Reichtum nicht, denn er hatte eine bitterböse Frau und eine bitterböse Tochter. Was die beiden Frauensleute sagten, das mußte er thun; und tanzte er nicht, wie sie pfiffen, so fielen sie mit dem Lederschuh über ihn her (denn Gräfinnen tragen keine Pantoffeln) und schlugen ihn auf Rücken und Hände, bis er wieder folgsam geworden war.
Eines Tages hatten sie ihm wieder die Hölle heiß gemacht, und er wurde schließlich so zornig, daß er sprach:
„Der erste Mann, der jetzt auf den Hof kommt und noch unverheiratet ist, erhält meine Tochter zur Frau; dann bin ich wenigstens die eine Plage los.“
„Das wird sich finden“, antwortete die Gräfin, „meine Tochter heiratet keinen andern Mann, als den, welchen ich ihr gebe!“
Die Worte hörte aber der alte Graf nicht mehr; denn er stand schon unten am Thore und schaute aus, ob nicht bald ein Freiersmann käme. Es dauerte auch gar nicht lange, so kam einer angeritten auf einem
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)